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Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List

Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List

Titel: Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Autoren: Faye Kellerman
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und ihre Geschichte, übersah Carol das schmale Lächeln des jungen Mannes, dessen Augen kalt blieben wie Eiswürfel.
    Ken Wetzel machte sich gleich gar keine Gedanken über ihn. Er war vollauf damit beschäftigt, Austern zu schlürfen und seiner Frau schlechte Nachrichten beizubringen. Er versuchte es so sanft wie möglich, aber irgendwie gelang es ihm nicht.
    Nicht, daß er Tess nicht liebte. Das tat er nach wie vor. Sie war immer für ihn da, eine treue Gattin, gute Mutter, passable Bettgefährtin. Leider paßte sie nicht mehr so recht in seine Welt.
    Besonders, seit er zum Zweiten Stellvertreter des Chefs aufgestiegen war. Er brauchte eine dynamische Partnerin, nicht irgendeine Durchschnittsfrau, die sich hauptsächlich mit Kindererziehung befaßte. Klar, die Kinder machten sich gut … das war unstreitig ihr Verdienst. Aber das reichte nun mal nicht. Eine Frau brauchte das gewisse Etwas. Sie mußte wissen, wie man sich anzieht, wie man lächelt, wie man spritzig über die Launen des Marktes plaudert.
    Eine solche Frau konnte ihm helfen, vorwärtszukommen. Tess dagegen hielt ihn auf.
    Wirklich ein patentes Mädchen, aber leider vorzeitig von der Schule abgegangen und seit dem letzten Kind ein bißchen fett. Schrecklich, ihre sackartigen Kleider, und dann diese Vorliebe für schreiende Farben! Kapierte sie denn nicht, daß sie in einem schlichten schwarzen Kostüm viel vorteilhafter hätte aussehen können? Aber so war Tess nun mal.
    Ken seufzte. Wenn sie sich doch endlich die Tränen abwischen würde! Diese Peinlichkeit fiel schließlich auf ihn zurück. Er schloß die Augen und dachte an Sherrie. Sherrie mit den Rehaugen, den sinnlichen Lippen, den unglaublichen Hüften, dem üppigen Busen und dem Examen in Stanford.
    Sie hatten sich über die firmeninterne E-mail kennengelernt, Sherrie arbeitete in der Marketingabteilung, er zwei Stock höher in der Marktanalyse. Es war Liebe auf den ersten Klick, witzelte er, und ihre Affäre, befeuert durch beiderseitigen Ehebruch und wechselseitige Karrierehoffnungen, gedieh aufs prächtigste.
    Trotzdem, in gewisser Weise liebte Ken seine Tess noch immer. Und die Kinder natürlich auch. Aber Leben hieß, seine Möglichkeiten ausschöpfen. Diese Ehe brachte es einfach nicht mehr.
    Die Zeiten ändern sich, hatte er ihr erklärt.
    Das Leben ändert sich.
    Man muß sehen, wo man bleibt.
    Jede dieser Eröffnungen löste bei Tess eine neue Tränenflut aus. Aber das konnte ihn nicht bremsen. Sosehr er sich dafür haßte, mußte er sich doch eingestehen, daß er es richtig genoß: Tess vor vollendete Tatsachen stellen, das Joch abwerfen, den Mühlstein um den Hals loswerden. Dieses köstliche Gefühl der Befreiung!
    Im Rausch seiner neuen Freiheit ignorierte Ken den schlanken jungen Mann. Er nahm ihn nicht einmal war, als das Gesicht dieses Mannes ganz leer wurde, wie leblos, mit Augen so undurchdringlich wie Schlammpfützen.
    Nicht einmal, als er in die Tasche seines erbsgrünen Sportsackos griff, schenkte ihm jemand Beachtung.
    Erst, als er die Kanone zog und die Kugeln flogen. Aber da war es zu spät.

2
    Der Sekundenblitz einer alten Erinnerung mit erschreckend klaren Bildern schoß Decker durch den Kopf. Vertrautes Bild, vertraute Geräusche und Gerüche. Nach einem Überfall der Vietcong. Verdreht daliegende Leichen, das Stöhnen Verwundeter, ringsum Panik. Hastende Sanitäter, blutige Hände in zerfetztem Fleisch, der metallische Blutgeruch gemischt mit dem Gestank der Eingeweide. Surreal. Das Ausmaß von Tod und Zerstörung, an dem jeder Glaube zuschanden wurde.
    Decker mußte schlucken. Sein Verstand wußte, daß Vietnam vorbei war. War das ein Spuk? Hatte jemand die Wiederholungstaste gedrückt? Die Umgebung stimmte nicht. Er war verwirrt. Aber nur kurz, denn es gab eine Menge zu tun.
    Sofort krempelte er die Ärmel hoch und zog sich Handschuhe über; sah eine Frau, deren Beine durchlöchert waren wie ein Schweizerkäse. Sie lag in einer Blutlache. Sah sehr bleich aus, schweißgebadet. Er schob Scherben beiseite, schaffte Platz, kniete sich neben sie.
    Blutung stoppen, Schockbehandlung, Rettungshubschrauber anfordern.
    Nein, streich den Hubschrauber, Rettungswagen tut’s auch.
    »Alles wird gut.« Decker sprach besänftigend auf sie ein, während er sie versorgte. Unter den Achseln seines Jacketts breiteten sich Schweißflecken aus, auch sein Haar und sein Gesicht waren tropfnaß von Schweiß. Er wandte den Kopf und schüttelte sich wie eine Dogge, die aus dem Wasser
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