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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde
Autoren: Anna Campbell
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sollte, drang auf einmal das laute Gejohle eines Gelages vom Gasthaus über den Hof. Die Schenke musste in einer solch kalten Nacht voller Menschen sein. Das eiskalte Wetter war einer der wenigen Glücksfälle für Charis, hatten deshalb doch die Stallburschen ihre Posten verlassen und sich ans wärmende Feuer begeben. Andernfalls hätten sie ihr Versteck sofort entdeckt. Warum war dieser Fremde nicht wie jeder andere Mensch mit Sinn und Verstand im Warmen geblieben, anstatt in diesem riesigen Stall herumzuwandern?
    »Das lassen Sie mal meine Sorge sein.« Wie in aller Welt sollte sie bloß entkommen? Noch einmal schalt sie sich im Stillen, nicht weitergegangen zu sein.
    »Wollen Sie mir Ihre Geschichte nicht anvertrauen?« Er sprach besänftigend auf sie ein. Seine Stimme klang fast so wie in den Momenten, als er Khan beruhigt hatte. Und so wie Khan spürte auch sie die heimtückische Verlockung dieses wohlklingenden Baritons. »Sie sind offensichtlich in Schwierigkeiten. Ich schwöre …«
    Er unterbrach seinen Satz abrupt und drehte den Kopf in Richtung Haupteingang, der am Ende des langen Ganges lag. Erst dann vernahm auch Charis das schlurfende Geräusch herannahender Schritte. Was für ein unmenschlich scharfes Gehör musste der Mann haben, diese über das knarrende Dach und den pfeifenden Wind hinweg zu hören.
    »Etwas nicht in Ordnung, Mylord?«, erklang aus ein paar Metern Entfernung eine raue, männliche Stimme, von der sie vermutete, sie gehörte einem Stallburschen.
    Mylord? Sie hatte mit ihrer Vermutung hinsichtlich seines gesellschaftlichen Ranges richtig gelegen. Mit einem verängstigten Wimmern schlich Charis zurück in den Schatten, während der Mann die Laterne so hielt, dass Dunkelheit sie einhüllte. Dabei hörte sich das Rascheln des Strohes so laut wie ein Gewehrschuss an.
    »Guter Mann, ich schaue nur nach meinem Pferd.« Lässig schlenderte er aus ihrem Blickfeld zu dem Neuankömmling.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Die Stimme des Stallburschen wurde deutlicher, während er herantrat.
    Charis hielt den Atem an und kauerte sich, soweit wie möglich vom Licht entfernt, in eine Ecke. Der Arm tat ihr bei der Bewegung weh, doch achtete sie nicht weiter auf den stechenden Schmerz.
    »Nein. Es ist alles in Ordnung.«
    Charis vergrub ihre feuchten Hände in den zerrissenen, fleckigen Röcken ihres einstmals eleganten Tageskleides und betete leise darum, unentdeckt zu bleiben. Ihr Herz schlug wild gegen ihre Rippen. Sie wunderte sich, dass der Stallbursche es nicht hörte und hereinkam, um der Sache nachzugehen.
    »Auf jeden Fall ist es eine kalte Nacht für Mensch und Tier.«
    »Zu kalt, um draußen unterwegs zu sein.« Trotz des resoluten Tonfalles seiner Stimme klang der Mann entspannt und sorglos. »Such dir ein Plätzchen am Feuer und trink einen Krug auf mich.«
    Charis schob sich so weit wie möglich hinter Khans Kruppe, behielt dabei aber seine todbringenden Hinterläufe immer im Auge.
    »Zu gütig von Ihnen, Mylord. Das mache ich sehr gerne.« In der Antwort des Stallburschen schwang überraschte Dankbarkeit mit. »Und Sie sind sich sicher, dass ich nicht helfen kann?«
    »Vollkommen sicher.« Die Stimme des Fremden ließ erkennen, dass der Stallbursche entlassen war. Welche Münze daraufhin auch immer ihren Besitzer wechselte, sie bewirkte, dass seinem Wunsch sofort entsprochen wurde.
    »N’abend, Mylord.«
    Der Stallbursche trottete mit einer schier unerträglichen Langsamkeit davon. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis der Fremde wieder am Eingang der Box erschien. Er hob die Laterne an und sah Charis zitternd an der Rückwand lehnen.
    »Er ist weg.«
    »Dem Himmel sei Dank.« Erleichtert stieß Charis den Atem aus, den sie ihrem Gefühl nach für eine Stunde angehalten hatte. Sie wusste nicht, warum der Mann ihr geholfen hatte, sich zu verstecken. Es zählte allein, dass er es getan hatte.
    Mit einem besorgten Ausdruck in seinen bemerkenswerten Gesichtszügen betrachtete er sie eingehend. »Sie können hier nicht bleiben. Im Gasthof wimmelt es nur so von Menschen. Sie können sich glücklich schätzen, so lange unbehelligt geblieben zu sein. Kommen Sie wenigstens so weit heraus, dass ich Sie sehen kann.«
    »Ich will nicht …«, begann sie unsicher. Obwohl der Mann keinen Versuch unternahm, sie aus der Box herauszuziehen, presste sie sich gegen die Bretter. Die Bewegung rief bei ihren verkrampften Muskeln erneut Schmerzen hervor.
    Der Mann trat beiseite, um ihr zu zeigen,
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