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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde
Autoren: Anna Campbell
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weiteren dieser eigenartigen, angedeuteten Gesten zuvor. Der Blick seiner dunklen Augen blieb auf sie gerichtet. »Darf ich Sie zu einer Freundin oder Verwandten nach Winchester begleiten, Miss Watson? Dieser Stall ist kein sicherer Ort.«
    Sie war, verdammt noch mal, nirgendwo sicher. Tief in ihrem Bauch stieg die Angst wieder hoch, als sie daran dachte, was passieren würde, wenn ihre Stiefbrüder sie wieder einfingen.
    »Ich bin … ich komme nicht aus diesem Teil des Landes, Sir. Ich stamme aus Carlisle.« Sie nannte den Namen der am weitest entfernt liegenden Stadt, die ihr einfiel, ohne dabei die Grenze nach Schottland zu überschreiten. Sie straffte ihre wackligen Beine, die unter ihr nachzugeben drohten, und schaute ihn mit einem Blick an, der ihm zu verstehen gab, ihre Geschichte bloß nicht anzuzweifeln.
    Seine Miene war ausdruckslos, aber sie wusste, er würde ihre Antworten auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen. »Das ist für eine Dame, so ganz allein auf sich gestellt, eine lange Reise. Haben Sie nicht wenigstens ein Dienstmädchen als Begleitung dabei?«
    Sie verstrickte sich mit jedem Moment tiefer in ein Netz von Lügen. Aber was für eine andere Wahl hatte sie? Gäbe sie ihre Identität preis, würde jeder gesetzestreue Bürger sie den Behörden übergeben.
    Trotzdem ging ihr die Antwort schwer über die Lippen. »Mir ist mein Dienstmädchen davongelaufen, als wir in London in eine andere Kutsche stiegen.«
    »Sie sind wahrlich vom Pech verfolgt, Miss Watson.«
    Lag in seiner Antwort ein Hauch von Ironie? Sein Gesichtsausdruck zeugte weiterhin von höflichem Interesse. Sie entschloss sich, seine Bemerkung für bare Münze zu nehmen. »Das war ein furchtbarer Tag, in der Tat.« Zumindest das war wahr. »Alles, was ich mir jetzt wünsche, ist so bald wie möglich das Haus meiner Tante zu erreichen.«
    »Sie sind weit weg von Portsmouth.«
    Wusste sie das nicht? Sie hatte kaum mehr als ein paar Meilen geschafft, und schon wurde ihr Durchhaltevermögen derart auf die Probe gestellt. Sie hatte kein Geld, um in einer Kutsche mitzufahren, und selbst wenn, könnte sie die Fahrt aus Furcht, erkannt zu werden, nicht wagen. Einmal mehr holte sie die schier unüberwindbare Aufgabe ein, die sie sich gestellt hatte. Doch dann erinnerte sie sich an das, was sie auf Holcombe erwartete. »Ich werde es schon schaffen.«
    »Wie denn?«, fragte er sie mit einer ersten Spur an Strenge in der Stimme. »Sie sind zum Umfallen müde.«
    Als sie ihre eigenen Zweifel mit einem solchen Nachdruck formuliert hörte, wurde die Verzweiflung in ihr noch größer. »Was sein muss, muss sein.«
    Sie presste die Lippen zusammen. Ihre mürrische Antwort beeindruckte ihn genauso wenig wie sie selbst. »Wenn Sie mir gestatten, biete ich Ihnen an, Sie mitzunehmen.«
    Charis wich zurück, als er versuchte, sie zu berühren. Es schien zu schön, um wahr zu sein. Die Möglichkeit, nach Portsmouth zu gelangen, war ein Geschenk des Himmels. Ihre Stiefbrüder würden ihr bestimmt schon auf den Fersen sein. Wenn sie mit diesem Fremden mitginge, könnte sie Boden gutmachen. Und nicht nur das; ihre Stiefbrüder würden darüber hinaus nur nach einer jungen Frau fragen, die alleine reiste.
    »Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.« Ihre Worte sollten endgültig klingen, doch ihre Verletzungen ließen sie schleppend und undeutlich sprechen.
    »Meine Reise geht ohnehin in Richtung Süden.« Sein Gesichtsausdruck wurde düster. »Das Gebot der Ritterlichkeit verbietet mir, eine Frau dem Wohlwollen der Schurken zu überlassen, denen sie auf der Straße begegnen könnte.«
    Trotz schlechter körperlicher Verfassung und aufkeimender Angst musste Charis grimmig lachen. Sie machte eine abweisende Geste mit ihrer unverletzten Hand. »Ritterlichkeit ist selbst in den allerbesten Zeiten eine Eigenschaft, auf die man sich nicht verlassen sollte.«
    »Sie haben mein Wort als Ehrenmann, dass Ihnen bei mir nichts passiert, Miss Watson«, erwiderte er, ohne zu lächeln.
    Sie hatte in letzter Zeit so viele Lügen gehört, dass sie einfach davon ausgehen musste, dass alles, was aus dem Mund eines Mannes kam, gelogen war. Doch eigenartigerweise glaubte sie ihm, als er ihr sein Wort gab.
    Mein Gott, wenn dieser Mann sie vergewaltigen wollte, hätte er es bestimmt inzwischen schon getan. Alle ihre Sinne hielten ihn für dieses Hirngespinst.
    Einen wahren Ehrenmann.
    Oder war sie einfach nur von seinem bemerkenswerten Aussehen geblendet? Sie war schutzlos und
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