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Fesseln der Sünde

Fesseln der Sünde

Titel: Fesseln der Sünde
Autoren: Anna Campbell
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erschöpft. Unaufhörlicher Schmerz vernebelte ihre Sinne. Sie fürchtete um ihr Leben.
    Die Pause zog sich und ging über in eine angespannte Stille. Hätte er versucht, sie zu überreden, sie wäre ohne wenn und aber gegangen. Doch er ließ ihr Zeit, sich zu entscheiden. Nur an seinen gestrafften Schultern unter der hervorragend geschnittenen Jacke war zu erkennen, dass ihre Antwort ihm nicht gleichgültig war und er sie mit Spannung erwartete.
    Schließlich seufzte sie. Es klang nach Einverständnis. Angst schnürte ihr die Kehle zu, aber ihre Verzweiflung war stärker. Während sie sich fragte, ob sie sich gerade auf die Seite des Teufels geschlagen hatte, nickte sie kurz. »Dann nehme ich Ihre Hilfe dankend an.«
    »Zuallererst aber bringen wir Sie zu einem Arzt.«
    Einen kurzen Moment lang hatte sich ihre laut pochende Furcht in ein entfernt klingendes Trommeln verwandelt. Die Möglichkeit zur Flucht hatte ihr zugewinkt wie das rettende Boot einem ertrinkenden Menschen. Nun erinnerten seine Worte sie daran, dass das rettende Ufer noch nicht erreicht war. Und vielleicht würde sie es auch nicht erreichen, außer mit viel Glück und Verstand.
    Jeder Arzt in Winchester würde sie sofort erkennen. Sie schüttelte abweisend den Kopf. »Ich brauche keinen Arzt. Meine Verletzungen sind nicht so schlimm, wie sie aussehen.«
    Sie wartete auf einen Einwand, doch es kam keiner. »In Ordnung. Kein Arzt.«
    Erleichtert sackte sie zusammen, obwohl sie versuchte, ihre heftige Reaktion zu verbergen. Anscheinend war sie auf den unglaublichsten Ehrenmann des Landes gestoßen. Bisher nahm er ihre Geschichte für bare Münze, ohne einen Moment daran zu zweifeln.
    Eigenartig, sie hatte ihn nicht für einen Dummkopf gehalten. Aus diesen wachsamen, dunklen Augen sprach Intelligenz.
    Vielleicht war er einfach nur naiv. Noch ein Grund mehr, mit ihm zu gehen. So würde sie ihm ohne Schwierigkeiten in Portsmouth entwischen können.
    Was sie danach machen würde, lag noch völlig im Dunkeln. Sie besaß weder Geld noch hatte sie Freunde. Zumindest nicht solche, die sie der Gefahr einer Verfolgung aussetzen könnte. Ihre Stiefbrüder hatten bereits ihre einzige nahe Verwandte, ihre Großtante, so sehr in Angst und Schrecken versetzt, dass sie sie ihnen ausgehändigt hatte. Sie trug ein goldenes Medaillon und den Perlenring ihrer Mutter, nichts davon war sehr wertvoll. Irgendwo musste sie sich in den nächsten drei Wochen verstecken. Das erdrückende Dilemma, in dem sie sich befand, ließ sie erschauern.
    Eins nach dem anderen. Sie vertrieb ihre Verzagtheit. Zuerst musste sie unerkannt aus Winchester herauskommen.
    »Gideon.«
    Es war die Stimme eines Mannes, die da aus Richtung der Stalltür kam. Charis schreckte auf, sah noch einmal nach ihren Verletzungen und spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihr Retter streckte die Hände aus, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne, um sie nicht zu berühren. »Seien Sie unbesorgt. Er ist ein Freund.«
    Da war sie wieder, diese ihm angeborene Autorität. Charis blieb dort stehen, wo sie war, obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug und der kalte Schweiß ausbrach.
    »Ich bin hier«, rief Gideon, ohne seinen Blick von ihr abzuwenden.
    Ein weiterer Mann, so groß wie ihr Retter, schlank, dunkel und offensichtlich ausländischer Herkunft, obwohl er vornehme, maßgeschneiderte Kleidung aus London trug, spazierte ins Blickfeld. »Wen hast du denn da?«
    »Miss Watson, das ist Akash. Akash, darf ich dir Miss Sarah Watson vorstellen. Sie ist überfallen worden und braucht Hilfe.«
    Akashs glänzende braune Augen ruhten auf Charis. Sie wartete darauf, dass er sie nach ihrer fadenscheinigen Geschichte fragte. Doch nach einer Pause zog er nur eine fein geschwungene, schwarze Augenbraue in Richtung Gideon hoch.
    »Ich gehe davon aus, wir bleiben hier nicht über Nacht?« Seine Stimme klang durch und durch englisch, obwohl er aussah, als sei er einem arabischen Märchen entsprungen.
    »Du weißt, dass ich eilig nach Penrhyn muss.«
    »In der Tat«, sagte er mit neutralem Ton.
    »Ja, über Portsmouth.«
    »Es war mir schon immer ein dringender Wunsch, Portsmouth kennenzulernen.« Die Aussicht, der Kälte trotzen zu müssen, um einer Fremden zu helfen, ließ Akash vollkommen ungerührt. Zu ungerührt.
    Plötzlich fühlte sich Charis ganz und gar nicht mehr sicher. Sich in die Hände zweier ihr unbekannter Männer zu begeben war die Krönung an Dummheit. Dass sie ihrer dünnen Geschichte so schnell
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