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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod
Autoren: Linwood Barclay
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oder andere Sonderklausel hinzufügen. Aber dann ist er nicht mehr dazu gekommen.«
    »Davon hatte ich zwar keine Ahnung«, sagte ich, »aber ganz unerwartet kommt es nicht. So, wie’s um meinen Bruder steht, kann ich mir gut vorstellen, dass er dem einen mehr hinterlassen wollte als dem anderen.«
    »Also, um ehrlich zu sein, wenn Adam gekommen wäre, um das Testament in diese Richtung zu ändern, hätte ich vielleicht versucht, ihm das auszureden. Ich hätte ihm gesagt, dass es am besten sei, alle Kinder gleich zu behandeln. Sonst gibt es nur böses Blut zwischen den Hinterbliebenen. Natürlich wäre es noch immer seine Entscheidung gewesen. Das aktuelle Testament ist zwar ziemlich eindeutig, aber es gibt da ein, zwei Dinge, über die du dir Gedanken machen solltest.«
    Ich stellte mir meinen Vater vor, wie er allein da an dem Vierertisch gesessen hatte. Selbst wenn er, genau genommen, nicht der einzige Bewohner war, hatte er seit Moms Tod das Haus praktisch für sich. Er musste nirgendwo anders hingehen, um allein zu sein. Aber ich konnte verstehen, dass er das Bedürfnis hatte rauszukommen. Manchmal musste man sich einfach ganz sicher sein, dass einen niemand überraschen konnte. Man brauchte Tapetenwechsel. Der Gedanke, dass mein Vater womöglich in dieser Gemütsverfassung gewesen war, machte mich traurig.
    »Das heißt dann also fifty-fifty«, sagte ich. »Wenn der Nachlass liquidiert ist, geht eine Hälfte an mich und die andere an meinen Bruder.«
    »Ja. Immobilien und Kapital.«
    »Das sind so um die hunderttausend«, sagte ich. »Alles, was er und Mom für die Rente zusammengekratzt haben. Sie haben jahrelang gespart. Nie einen Cent für sich ausgegeben. Mit diesen hundert Riesen wäre er bis zu seinem Tod ausgekommen.« Ich stockte. »Auch wenn er noch zwanzig, dreißig Jahre gelebt hätte, meine ich. Und soweit ich weiß, gibt’s auch noch eine Lebensversicherung, eine relativ kleine.«
    Harry Peyton nickte und lehnte sich zurück, die Finger hinter dem Kopf ineinander verflochten. Er zog ein wenig Luft durch die Zähne. »Du wirst dir überlegen müssen, was du mit dem Haus tun willst. Nichts spricht dagegen, dass du es verkaufst und den Erlös mit deinem Bruder teilst. Es liegt keine Hypothek drauf, und ich würde schätzen, drei-, vierhunderttausend könntest du schon dafür kriegen.«
    »So um den Dreh. Es sind fast sechseinhalb Hektar Grund.«
    »Wenn ihr so viel bekommt, dann stünde jeder von euch mit plus/minus einer Viertelmillion da. Alles in allem ein schöner Batzen Geld. Wie alt bist du, Ray?«
    »Siebenunddreißig.«
    »Und dein Bruder ist zwei Jahre jünger, stimmt’s?«
    »Ja.«
    Peyton nickte langsam. »Wenn er klug investiert, könnte er einige Jährchen davon zehren, aber er ist noch jung. Und bis er Rente beantragen kann, ist es noch eine Weile hin. Nach allem, was ich von deinem Vater gehört habe, ist er ja eigentlich nicht arbeitsfähig.«
    Ich zögerte. »Kann man wohl so sagen.«
    »Für dich sieht das schon anders aus. Du könntest das Geld anlegen, dir ein größeres Haus anschaffen, für den Tag – ich weiß, du bist nicht verheiratet, Ray, aber eines Tages lernst du jemanden kennen, bekommst Kinder –«
    »Schon klar.« Bevor ich dreißig wurde, war ich schon ein, zwei Male nahe dran gewesen, den Bund fürs Leben zu schließen, doch dann war nichts daraus geworden. »Aber Kinder seh ich weit und breit nicht.«
    »Das weiß man nie.« Wieder winkte er ab. »Geht mich aber auch nichts an, wenigstens nicht in meiner amtlichen Funktion. Aber ich glaube, euer Vater hätte es gern gesehen, dass ich mich ein bisschen um euch kümmere, euch gegebenenfalls mit meinem Rat zur Seite stehe.« Er lachte. »Aber ihr seid natürlich keine Kinder mehr. Das ist schon lange vorbei.«
    »Ich weiß das zu schätzen, Harry.«
    »Worauf ich hinaus will, Ray: Für dich ist das ein warmer Regen, sicher, aber du kommst auch ohne gut zurecht. Du verdienst nicht schlecht, und wenn das, was du jetzt machst, nicht mehr genug einbringt, dann wirst du etwas Neues finden. Du wirst immer auf die Füße fallen. Aber für deinen Bruder ist diese Erbschaft alles, was er je haben wird. Gut möglich, dass er seinen Anteil am Erlös des Hausverkaufs braucht, um sich über Wasser zu halten, vorausgesetzt, er findet eine passende Bleibe. Eine Wohnung in einem Heim oder was in der Art.«
    »Darüber hab ich auch schon nachgedacht.«
    »Die Frage ist, wirst du es schaffen, ihn aus dem Haus zu bringen? Du weißt
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