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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod
Autoren: Linwood Barclay
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mir ein Lächeln ab. »Ja, dafür, dass er Dad gar nicht kannte, hat der Pfarrer seine Sache recht gut gemacht. Dad war kein großer Kirchgänger. Wir können wahrscheinlich von Glück sagen, dass wir überhaupt jemand gefunden haben. Danke, dass Sie zur Beerdigung gekommen sind. Damit waren wir fast ein rundes Dutzend.«
    Wir waren zu elft gewesen, den Pfarrer und mich eingeschlossen. Harry war da und drei von Dads Kollegen aus der Firma, bei der er gearbeitet hatte, darunter auch sein ehemaliger Boss, Len Prentice, und dessen Frau Marie. Dazu noch ein Freund von Dad, der eine Eisenwarenhandlung in Promise Falls geführt hatte, bis der Heimwerkermarkt am Stadtrand eröffnete und ihn arbeitslos machte. Außerdem war Dads jüngerer Bruder Ted mit seiner Frau Roberta aus Cleveland gekommen, und eine Nachbarin von Dad, eine Frau namens Hannah, keine Ahnung, wie sie mit Nachnamen hieß. Und dann war da noch eine Frau, die Thomas und ich von der Highschool kannten, Julie McGill. Sie arbeitete beim Promise Falls Standard, der Lokalzeitung, und hatte den Artikel über Dads Unfall geschrieben. Sie war nicht gekommen, um über die Beerdigung zu berichten – zwar hatten die Umstände von Dads Tod für eine gewisse Aufmerksamkeit gesorgt, doch war er weder Bürger des Jahres, noch Präsident des Rotary-Club oder etwas in der Art gewesen. Seine Verdienste um die Gesellschaft hatten nicht den geringsten Nachrichtenwert. Julie war einfach nur gekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
    Im Beerdigungsinstitut blieben eine Menge Eiersalat-Sandwiches übrig. Ich wurde genötigt, ein paar für meinen Bruder mit nach Hause zu nehmen. Ich hatte seine Abwesenheit damit erklärt, dass er sich nicht wohl fühle, aber niemand, zumindest niemand, der meinen Bruder kannte, nahm mir das ab. Auf der Heimfahrt war ich nahe daran, die Sandwiches aus dem Wagenfenster zu werfen. Sollten doch die Vögel sich daran gütlich tun und nicht mein Bruder. Aber ich tat es nicht. Ich brachte sie nach Hause, und sie wurden alle gegessen.
    »Ich hatte gehofft, dein Bruder würde kommen«, sagte Harry. »Ich habe ihn schon lang nicht mehr gesehen.« Anfangs dachte ich, Harry meinte zu dieser Besprechung. Das wunderte mich, denn mein Bruder war ja nicht in der Lage, sich um den Nachlass unseres Vaters zu kümmern. Dann wurde mir klar, dass Harry die Beerdigung meinte.
    »Tja, ich hab alles versucht«, sagte ich. »Krank war er jedenfalls nicht.«
    »Dachte ich mir.«
    »Ich wollte ihn überreden, aber es war sinnlos.«
    Peyton schüttelte teilnahmsvoll den Kopf. »Euer Vater hat für ihn getan, was er konnte. Wie damals, bevor eure Mutter – Rose, Gott hab sie selig – von uns ging. Wie lange ist das jetzt her?«
    »Das war 2005.«
    »Danach muss es noch viel schwerer für ihn gewesen sein.«
    »Damals war er noch bei P&L«, sagte ich. Die Druckerei Prentice und Long. »Er ist kurz darauf in Frührente gegangen. Ich glaube, daraufhin ist es richtig schlimm für ihn geworden. Den ganzen Tag im Haus zu sein. Das hat ihm wirklich aufs Gemüt geschlagen, aber er war nicht der Typ, der sich vor etwas drückte.« Ich biss mir auf die Lippe. »Mom … sie hat es irgendwie geschafft, sich nicht unterkriegen zu lassen. Für sie war es immer leichter, sich mit den Tatsachen abzufinden, als für Dad.«
    »Adam war ja noch jung«, sagte Harry. »Zweiundsechzig. Das ist doch kein Alter. Es hat mich glatt umgehauen, als ich es hörte.«
    »Tja, mich auch«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wie oft Mom ihm im Laufe der Jahre gesagt hat, das es gefährlich ist, diesen steilen Hang mit dem Rasentraktor zu mähen. Aber er meinte immer, er hätte alles im Griff. Leider liegt dieser Teil des Grundstücks ziemlich weit ab vom Haus, man kann ihn weder von der Straße noch von den Nachbargrundstücken aus einsehen. Das Gelände fällt dort fast fünfundvierzig Grad zum Bach hin ab. Dad hat immer parallel zur Böschung gemäht und sich mit dem Körper zum Hang hin gelehnt, damit der Traktor nicht umkippt.«
    »Was glaubst du, Ray, wie lange hat dein Vater wohl da draußen gelegen, bevor sie ihn fanden?«
    »Wahrscheinlich hat er nach dem Mittagessen mit dem Rasenmähen begonnen, und gefunden wurde er erst kurz vor sechs. Als der Traktor auf ihn kippte, grub sich die Oberkante des Lenkrads da hinein –«, ich zeigte auf meine Körpermitte, »– in den Bauch, und zerquetschte ihm die inneren Organe.«
    »Lieber Gott«, sagte Harry. Er berührte dabei seinen eigenen Bauch und
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