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Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht

Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 01 - Saturn im Morgenlicht
Autoren: V.A.
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Der letzte Appell
     
Rick Rubin
     
     
    Es gibt nichts, das so erregend ist wie das Erwachen aus dem Tiefschlaf. Zuerst kehrt das Leben ins Gehirn zurück, das Bewußtsein beginnt zu arbeiten, aber der Rest des Körpers ist noch gefühllos. Man steht in seiner Kammer, mit der vollen Marschausrüstung bepackt, und hat das erschreckende Gefühl, tot zu sein – nicht bloß gelähmt oder erstarrt, sondern wirklich tot. Und dann fühlt man, daß der Lebensimpuls auch die Muskeln erfaßt, zuerst die großen Muskeln der Oberarme und Schenkel, und dann all die vielen kleineren am Kopf, am Leib und den Gliedmaßen. Das Blut strömt in Arterien und Venen, und schließlich spürt man, wie es prickelnd in winzige Kapillargefäße eindringt. All der Schrecken fällt ab, man atmet tief auf und tritt hinaus – ins Freie.
    Im Osten stand die Sonne halbhoch am Himmel, und jenseits des Exerzierplatzes konnte ich in den steigenden Hitzewellen die Baracken, die Ordonnanzgebäude, die Kantine und die anderen Gebäude von Fort Morris schimmernd liegen sehen. Leutnant Rolf Baker, mein Zugführer, trat vor die Reihe der Schlafkammern, die mich selbst und drei andere Sergeanten beherbergten. Ich salutierte.
    »Guten Morgen, Sergeant Oskowski«, grüßte er.
    »Guten Morgen, Herr Leutnant«, grüßte ich zurück. »Diesmal haben sie uns aber spät geweckt.«
    »Später, als Sie denken, Sergeant. Nach dreihundert Jahren. Wir haben das Jahr 2516.«
    »Was Sie nicht sagen! Dreihundert Jahre ohne Krieg. Wer hat denn nun am Ende die Karre verfahren?«
    »Ich muß gestehen, ich weiß es nicht. Ich weiß noch nicht mal, gegen wen wir kämpfen.«
    »Ziemlich ungewöhnlich, daß wir das nicht sofort erfahren.«
    »In einer Stunde sollen wir antreten, Oskowski. Dann werden wir schon hören, was los ist. Am besten, Sie wecken jetzt Ihre Männer.«
    Links von mir kamen die drei anderen Sergeanten aus ihren Tiefschlafkammern. Um uns herum begann sich eine ganze Armee zu regen: 5000 Offiziere und Soldaten erwachten aus dem Tiefschlaf, in guter Verfassung und bereit, für jeden zu kämpfen. Wir werden natürlich in der Rangordnung mobilisiert – Oberst Moss, unser Kommandeur, wird von den zivilen Bevollmächtigten aufgetaut; er weckt vier Oberstleutnants, diese wecken vier weitere, und so setzt es sich nach unten fort, über Majore und Hauptmänner zu Leutnants und Sergeanten wie mich, die dann ihre Leute wachrufen. Wir verlassen unsere Schlafkammern mit all unseren persönlichen Waffen und in vorzüglicher Kondition, um Verpflegung und Instruktionen entgegenzunehmen und, wenn nötig, in weniger als einer Stunde abzumarschieren.
    Im alten griechischen Mythos pflanzte der Mensch Drachenzähne, und aus dem Boden schossen kämpfende Männer. Ich kann mich nie eines Vergleichs damit erwehren, wenn ich das Regiment aus den Schlafkammern kommen sehe. Der Unterschied besteht darin, daß in der Sage die Soldaten anfingen, sich gegenseitig zu bekriegen, während das 45. Kampfregiment als eine disziplinierte Einheit antritt.
    Zum Auftauen braucht man für jeden Mann nur einen Schalter umzulegen. Ich ging den Gang hinunter, an dem meine Gruppe aufbewahrt war, und betätigte die Hebel; dann setzte ich mich hin und begann meine Maschinenpistole zu überprüfen. Natürlich war es keine richtige Maschinenpistole, wie man sie im 20. Jahrhundert hatte. Genauer genommen, war es ein Schnellfeuergebläse, Modell 2079 – eine Mischung zwischen einem Flammenwerfer und einer kleinen Atomkanone mit einer Miniaturkraftladung und einer wie ein Gewehrlauf geformten Düse; ich nannte es nur Maschinenpistole, weil ich das persönlicher fand.
    Meine Gruppe kam heraus und formierte sich. Ich ließ sie sich recken und gähnen und ihre alten, müden Witze reißen. Am äußersten Ende erkannte ich zwei Männer, die Miller und Chavez ersetzten; diese beiden waren vor dreihundert Jahren gegen Ende des afro-asiatischen Krieges gefallen. Ich nahm mir vor, festzustellen, ob einer der beiden erst kürzlich dazugekommen war. Vielleicht konnten sie etwas über die dreihundert Jahre Frieden, während denen wir kalt und tot in unseren Schlafkammern gestanden hatten, berichten.
    Diese unerklärlich lange Zeit störte mich. Auf jeden Fall lag irgend etwas in der Luft, das mich unheimlich berührte; denn diese Musterung war irgendwie anders als alle vergangenen. Das letztemal hatten 75 Jahre zwischen den Kriegen gelegen, bei weitem die längste Friedensperiode seit der Gründung der
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