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Verzaubert

Verzaubert

Titel: Verzaubert
Autoren: Laura Resnick
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Prolog
    I ch bin keine Heldin, ich spiele nur hin und wieder eine. Außerdem spiele ich auch Psychopathinnen, Waisen, Prostituierte, Hausfrauen und – im Ausnahmefall – eine singende Steckrübe. Ich hätte nie gedacht, dass ich trotz meiner fundierten Schauspielausbildung einmal als Gemüse in einem Musical landen würde. Allerdings betont mein Agent nur zu gern, dass es in New York mehr Schauspieler gibt, als die meisten Städte Einwohner zählen. Mit anderen Worten: In der Not frisst der Teufel Fliegen.
    Das erklärt, weshalb ich meinen Körper in jener Nacht, als Golly Gee verschwand, bunt anmalte und halb nackt auf einer Bühne herumsprang.
    Für die Glücklichen unter euch, die nicht mit der Welt der Rockstars vertraut sind: Golly Gee war das bei Schönheitschirurgen gut bekannte, zweitklassige Popsternchen, das ausgewählt worden war, die Virtue zu spielen, die weibliche Hauptrolle in
Der Hexenmeister.
    Ich dagegen, Absolventin der Northwestern University und des Actors Studios, war die Zweitbesetzung. So ist das Leben einer Schauspielerin …
    Aber grundsätzlich war
Der Hexenmeister
ein seriöses Off-Broadway-Musical. Außerdem hatte ich vier Monate lang »pausiert« (will heißen, fünfzig Stunden die Woche gekellnert). Ich spielte in dem Stück zwar nur eine der Chornymphen, aber immerhin hatte ich wieder einen Job. Und mit ein bisschen Glück würde Golly Gee einen Unfall erleiden – keinen tödlichen wohlgemerkt, nur einen, der sie vorübergehend außer Gefecht setzte – und ich könnte die Hauptrolle übernehmen.
    Das Musical hatte keine Handlung, und Virtue sang das einzige anspruchsvolle Lied. Der Hexenmeister, gespielt von dem Magier Joe Herlihy, war ein ziemlich nervöser Typ. Seiner Frau gehörte die Produktionsfirma, von der die ganze Chose finanziert wurde. Er war ein kompetenter Zauberer, konnte aber weder singen noch schauspielern und war zu unerfahren, als dass seine Präsens eine ganze Show getragen hätte. Die Zaubernummern waren zwar während der letzten Wochen immer besser geworden, dennoch blieb sein Auftritt eine Zitterpartie. Vor lauter Stress nahm er sogar ab. Außerdem fürchtete er sich vor Golly Gee, die ihn während der Proben schikanierte und versuchte, ihm auf der Bühne die Show zu stehlen.
    Das wirklich Beunruhigende an Joe war jedoch, dass er in Panik geriet, sobald etwas schiefging. Und da bei den Proben ständig etwas geändert wurde, ging eine ganze Menge schief. Jedes Mal, wenn jemand seinen Einsatz verpasste oder über ein falsch plaziertes Dekorationsstück stolperte, geriet Joe aus dem Konzept. Und obwohl ich Gollys Rolle wollte, gab es Tage, an denen ich froh war, nicht das Mädchen zu sein, das Joe achtmal pro Woche zersägte.
    An jenem Abend, als Joe endgültig zusammenbrach, waren wir bereits eine Woche vor Publikum aufgetreten. Dennoch gab es jede Menge Unsauberkeiten auszubügeln. Golly Gees nasale Singerei hatte zu einer Reihe vernichtender Kritiken geführt, so dass sie an dem Abend unausstehlich war. Golly war nämlich bei weitem nicht der Typ, der etwas in sich hineinfraß. In der Pause beschuldigte sie Joe, sie bei der Flammenwerfernummer beinahe abgefackelt zu haben. Ich persönlich hätte es ihm nicht verübelt.
    Aber trotz Gollys theatralischem Getue lief die Show zum ersten Mal einigermaßen glatt. Auch Joe war konzentrierter als an den Abenden zuvor. Während der Schlussszene wartete ich auf meinen Einsatz. Sobald ich mein Stichwort hörte, sprang ich als spärlich bekleidete Waldnymphe auf die Bühne.
    Dort tollte ich inmitten einer idyllischen Walddekoration mit Elfen, Kobolden und Feen herum. Als mich ein Satyr mit seinen eiskalten Händen betatschte, unterdrückte ich nur mühsam einen Aufschrei und wand mich stattdessen verzückt. Dann stemmte er mich grunzend über seinen Kopf. Er zitterte dabei vor Anstrengung und warf mir einen wütenden Blick zu, denn ich hatte ihm versprochen, während der Spielzeit die Finger von Ben-&-Jerry’s-Eiscreme zu lassen. Leider hatte ich mein Versprechen nicht gehalten. Mein langes grünes Haar flatterte, während wir herumwirbelten und uns anschließend auf dem Boden niederließen, um den Hexenmeister zu bestaunen. Die Handlung näherte sich dem Höhepunkt, denn der böse Magier drohte, Virtue für immer verschwinden zu lassen. Was für das Königreich unsagbar traurig gewesen wäre (bemerkte ein Zuschauer ironisch).
    Der Hexenmeister sperrte Virtue in eine Glaskiste, wie man sie vermutlich in jedem
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