Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens
Autoren: Bagley Desmond
Vom Netzwerk:
 
    1
    Die Super-Constellation flog in schönem Wetter nach Südosten und ließ die in der gekräuselten See verstreuten grünen Inseln hinter sich, die Inselkette, die als Kleine Antillen bekannt ist. Weit voraus über der scharfen Linie des Atlantikhorizonts lag ihr Ziel – ein Rendezvous mit dem Unheil irgendwo nördlich des Äquators, im Atlantik zwischen Nordafrika und Südamerika. Der Pilot, Lieutenant-Commander Hansen, kannte weder die genaue Position des Ziels, noch wußte er, wann er es erreichen würde – er flog nur nach den Anweisungen eines hinter ihm sitzenden Zivilisten –, aber er hatte schon viele ähnliche Flüge ausgeführt und wußte, was von ihm erwartet wurde. Er saß bequem in seinem Sitz und überließ das Steuer Morgan, seinem Kopiloten. Der Lieutenant-Commander hatte zwölf Dienstjahre in der US-Marine und erhielt daher einen monatlichen Sold von 660 Dollar. Das entsprach bei weitem nicht dem, was er leisten mußte.
    Das Flugzeug, eins der schönsten, die je konstruiert wurden, war einmal stolz auf den zivilen Strecken im Nordatlantikverkehr geflogen, bis es von den schnelleren Jets verdrängt wurde. So war die Maschine eingemottet worden, bis die Marine eine neue Verwendung für sie hatte, und jetzt trug sie also die Kennzeichen der US-Marine. Sie sah mehr mitgenommen aus, als für ein Marineflugzeug schicklich schien – die Nasenkante ihrer Tragflächen war zernarbt und eingebeult, und die als Talisman an den Bug gemalte geflügelte Wolke war abgescheuert und zerschrammt –, aber die Maschine hatte mehr solcher Einsätze geflogen als ihr Pilot, und daher war die Abnutzung verständlich.
    Hansen sah am Himmel über dem Horizont die ersten Spuren von Zirruswolken in dem blassen Blau. Er legte einen Schalter um und sagte: »Ich glaube, er kommt jetzt, Dave. Irgendwelche neuen Befehle?«
    Eine Stimme krächzte in seinen Kopfhörern. »Ich will mal auf dem Schirm nachsehen.«
    Hansen faltete die Hände vor seinem Bauch und starrte nach vorn auf die sich verdichtenden hohen Wolken. Manchen Leuten in der Marine wäre es vielleicht zuwider gewesen, Anweisungen von einem Zivilisten entgegenzunehmen, ganz besonders von einem, der nicht einmal Amerikaner war, aber Hansen war da ganz anderer Meinung; bei diesen Einsätzen hatten weder Status noch Nationalität etwas zu sagen, solange man nur wußte, daß die Männer, mit denen man flog, ihr Handwerk verstanden und einen nicht in den Tod schickten – wenn es sich vermeiden ließ.
    Hinter der Pilotenkabine war der große Raum, wo früher die Passagiere der ersten Klasse ihren Bourbon nippten und mit den Stewardessen schäkerten. Jetzt war der Raum mit Instrumenten und Männern ausgefüllt; Konsolen mit Fernmeßinstrumenten liefen in langen Bänken von vorn bis hinten, bildeten Vorsprünge und Inseln, so daß sich die drei Männer in dem Gewirr von elektronischen Geräten kaum bewegen konnten.
    David Wyatt schwang sich auf seinem Drehstuhl herum und stieß mit seinem Knie hart gegen die Kante einer großen Radarkonsole. Er verzog das Gesicht; er würde es wohl nie lernen, dachte er.
    Während er mit einer Hand sein Knie rieb, schaltete er das Gerät ein. Der große Bildschirm hellte sich auf und verbreitete einen geisterhaften grünen Schein um ihn, während er ihn mit fachmännischen Augen betrachtete. Nachdem er sich einige Notizen gemacht hatte, suchte er in einer Tasche nach einigen Papieren und begab sich damit zur Pilotenkabine.
    Er tippte Hansen auf die Schulter, hielt ihm die Faust mit nach oben gestrecktem Daumen vors Gesicht und blickte dann nach vorn. Die schleierartigen Ausläufer der hohen Zirruswolken waren nun direkt über ihnen und gingen am Horizont in die niedrigeren Zirrostratusschichten über, und er wußte, daß sie gleich hinter der Kimm den schweren, drohenden Nimbostratus finden würden – die Regenwolke. Er sah Hansen an. »Da haben wir ihn«, sagte er lächelnd.
    Hansen knurrte: »Kein Grund, ein so vergnügtes Gesicht zu machen.«
    Wyatt schob ihm einige Fotos hin. »So sieht er von weiter oben aus.«
    Hansen überflog die körnigen und streifigen Fotos, die von einem der Wettersatelliten zur Erde gefunkt worden waren. »Sind die von Tiros IX?«
    »Ja.«
    »Sie werden besser – diese sind schon recht gut«, sagte Hansen. Er verglich die Größe des weißen Wirbels mit dem Maßstab am Rande des Fotos. »Der ist nicht besonders groß; Gott sei Dank.«
    »Auf die Größe kommt es nicht an«, sagte Wyatt. »Es ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher