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Und dann kusste er mich

Und dann kusste er mich

Titel: Und dann kusste er mich
Autoren: Dickinson Miranda
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    The most wonderful time of the year?
    Steht man vor der Frage, ob man seinem besten Freund seine Liebe gestehen soll oder nicht, so gibt es dazu zwei widersprüchliche Theorien. Die eine rät ausdrücklich davon ab, weil man Gefahr läuft, einen Freund zu verlieren, sollte die Liebe nicht erwidert werden. Die andere befürwortet die aktive Haltung, denn würde man nichts sagen, könnte man die Liebe seines Lebens verpassen.
    Dummerweise habe ich letzteren Rat befolgt.
    Der Blick aus Charlies mitternachtsblauen Augen zeigte mir unmissverständlich: Ich hatte soeben den größten Fehler meines Lebens begangen …
    » Wie bitte?«
    Vielleicht hatte er mich nicht richtig verstanden? Vielleicht sollte ich es wiederholen?
    »Ich habe gesagt, dass ich dich liebe, Charlie.«
    Er blinzelte. »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
    »Doch.« Eine tiefe Müdigkeit machte sich in mir breit und erstickte meine Hoffnung unter einer bleiernen Decke.
    Verschwunden war das typische Charlie-Grinsen, das noch Momente vorher so unverrückbar sein Gesicht erhellt hatte. Stattdessen war da nun ein Ausdruck, den ich nicht kannte, doch ich wusste, dass er keine gute Alternative war.
    »W-wie lange …?«
    Ich heftete den Blick auf die Topfpflanze neben unserem Tisch. »Ähm … schon ziemlich lange.« Vielleicht hätte ich etwas Raffinierteres anziehen sollen, um mein Traumfraupotenzial hervorzuheben. Doch als ich heute früh meine geliebten Jeans und den langen roten Pulli anzog, hatte ich nicht gedacht, dass ich ein derartiges Gespräch führen würde. Angesichts des Ausdrucks blanken Entsetzens in Charlies Gesicht hätte es jedoch auch keinen Unterschied gemacht, wenn ich ihm in Designerkleid und mit Diamantenkette gegenübergesessen hätte. Oh, warum hatte ich nicht einfach den Mund gehalten?
    »Aber … wir sind Kumpel , Rom.«
    »Ja, natürlich. Schau, vergiss einfach, was ich gesagt habe, okay?«
    Er starrte in seinen Latte macchiato, als hätte der ihn gerade beleidigt. »Wie soll das gehen? Du hast es nun mal gesagt. Ich meine, es … es steht im Raum.«
    Ich sah mich in dem voll besetzten Café um. Es wimmelte von mies gelaunten Weihnachtseinkäufern, die sich auf zusätzlichen Stühlen, die sie arglosen Einzelpersonen gierig weggeschnappt hatten, an viel zu kleine Tische quetschten. »Ich glaube, wir können getrost davon ausgehen, dass niemand irgendetwas gehört hat.«
    Mein Versuch, witzig zu sein, ging ins Leere. Ich trank einen großen Schluck Kaffee und wünschte, ich wäre tot.
    Charlie schüttelte den Kopf. »Völlig egal. Ich habe es gehört. Mensch, Rom … warum hast du es gesagt? Hättest du es nicht einfach …?«
    Ich starrte ihn an. »Einfach was?«
    »Es einfach nicht aussprechen können? Ich meine, warum musstest du mir das gerade jetzt erzählen?«
    Ich hasste den Ausdruck blanker Panik in seinen Augen. Er hatte mich noch nie so angesehen … In meinen Tagträumen war dieser Moment völlig anders abgelaufen: Oh, Romily, ich liebe dich auch schon seit Ewigkeiten. Hättest du nichts gesagt, hätten wir vielleicht niemals zueinandergefunden …
    »Zwischen uns läuft doch alles prima. Ich meine, warum soll man etwas daran ändern? Du kannst doch nicht ernsthaft geglaubt haben, dass das eine gute Idee ist.«
    Entschuldige mal , natürlich hatte ich das geglaubt. Irgendwo zwischen meinem törichten, offensichtlich irregeleiteten Herzen und meiner dämlichen großen Klappe war mir das Hirn abhandengekommen, und ich hatte mir eingeredet – weil ich eine bescheuerte, kranke Idiotin bin –, dass ich die Antwort auf seine Träume wäre. Dass die vielen Stunden, die wir miteinander verbrachten – lustige, ausgelassene Tage und lange Nächte voller tiefer Gespräche –, der Beweis dafür wären, dass wir füreinander bestimmt waren. Jedem fiel das auf: Bei unseren Freunden war es schon ein Insiderwitz, und sie nannten Charlie und mich das »alte Ehepaar«. Ich könnte gar nicht aufzählen, wie oft wir von fremden Leuten für ein Paar gehalten worden sind. Wenn dies für die ganze Welt so offensichtlich war, warum dann nicht auch für Charlie?
    Natürlich konnte ich ihm all das nicht sagen. Die erlittene Schmach löschte alle schlauen Argumente aus meinem Hirn, so dass ich in diesem überfüllten Café, dessen Gästen es sowieso piepegal war, was ich von mir gab, nur stammeln konnte: »Tut mir leid.«
    Charlie schüttelte den Kopf: »Ich habe das nicht kommen sehen. Ich dachte, wir sind Freunde, mehr nicht. Aber das
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