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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale
Autoren: Kathrin Corda
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1.
    »Suche Mitbewohnerin für möbliertes Zimmer in Zweizimmerwohnung. Solo ragazze – nur für
junge Frauen«, lautet die Annonce. Eine Studentenbude für stolze vierhundertfünfzig
Euro im Monat und ich muss nehmen, was ich kriegen kann.
    Denn ich bin in einer Notsituation.
    Ich sitze in einer der überfüllten, veralteten Straßenbahnen
Mailands und gondele südwärts in eine wenig anheimelnde Gegend der
italienischen Großstadt. Mein Auftrag: Zimmerbesichtigung. Es ist bereits die
achte Wohnung in drei Tagen, zu der ich mich mit Bus und Bahn durchschlage – um
jedes Mal erschrocken abzuwinken. Trotz Notsituation.
    Da war zum Beispiel erst gestern die ärmlich eingerichtete
Einzimmerwohnung für schlappe siebenhundert Euro im Monat, die ich mir mit
einer japanischen Praktikantin hätte teilen müssen. Der einzige Pluspunkt wäre
gewesen, dass ich ihren vor Hunger piependen Tamagotchi wegen des Straßenlärms
von draußen kaum gehört hätte.
    Vorgestern habe ich mir ein Zimmer bei einer alten Dame angeschaut,
die mir bereits an der Haustür mitteilte, dass ich unter keinen Umständen die
Plastikfolien von den Schränken, Tischen und Stühlen abnehmen dürfe, die sie
darauf befestigt hatte. Die wertvollen Möbel seien nämlich bereits der einzigen
Nichte zum Erbe versprochen und dürften daher nicht beschädigt werden. Ich
konnte mir allerdings nicht vorstellen, einer gewieften Nichte zuliebe in einem
Plastiktütenambiente zu leben – für fünfhundert Euro. Bei eingeschränkter
Küchennutzung, versteht sich. Auch hier lehnte ich also dankend ab.
    Die Wohnungssuche gestaltet sich wahrlich alles andere als einfach.
Willkommen in bella Italia !
    An der Viale Tibaldi steige ich aus der Bahn, suche mir den Weg und
komme dabei durch eine kleine, düstere Seitengasse. Irgendwo hier muss das Haus
sein, in dem sich das freie Zimmer befinden soll. Hinter einer weiteren
Hausecke werde ich fündig und blicke auf eine graue, seit langer, langer Zeit
unsanierte Gebäudefront. Die Haustür ist nur angelehnt, das Türschloss
verrostet. Schnaufend steige ich ins oberste Stockwerk und klingele an der
linken Wohnungstür.
    Eine zierliche, freudlose Gestalt, die sich knapp als Cecilia
vorstellt, öffnet mir und winkt mich geistesabwesend herein. Mit Blick auf den
laufenden Fernseher in der schäbigen Küche deutet sie auf eines der beiden
Zimmer auf der anderen Flurseite. »Dies hier ist das freie«, murmelt sie fahrig
und wendet den Hals gleich wieder Richtung Küche, wo der italienische Verschnitt
von Big Brother läuft.
    Ich betrete einen winzigen Raum mit einem pritschenartigen
Gästebett, einem Schreibtisch, zwei wackeligen Stühlen und einer alten Kommode.
Von der Decke baumelt eine armselige Glühbirne und das schmutzige Fenster geht
auf einen dieser typischen Luftschächte italienischer Wohnhäuser raus, in denen
man das Tageslicht wenn überhaupt nur erahnen kann.
    Keine Frage: Dies ist hier erneut ein Besichtigungstermin für die
Tonne. Den Anblick des Badezimmers erspare ich mir. Hier kann ich nicht wohnen,
so viel steht fest. Schon gar nicht für diesen Preis. Ratlos drehe ich mich zu
Cecilia um, die inzwischen stumm hinter mich getreten ist.
    »Zahlst du denn den gleichen Preis für dein Zimmer?«, will ich
wissen.
    » Sì certo, ja sicher«, antwortet sie, »so
teuer ist das gar nicht. Ich habe hier völlige Freiheit: Hier wohnt kein
Vermieter, der uns sagt, was wir zu tun oder zu lassen haben. Außerdem kann ich
kommen und gehen, wann ich will.«
    »Ja, aber«, nehme ich erneut Anlauf, »wenn der Vermieter für dieses
Loch hier insgesamt bald tausend Euro einnimmt … Kümmert er sich denn nicht um
den Zustand der Wohnung?«
    »Nein«, Cecilia wirkt erstaunt, »warum sollte er?«, und fügt dann
leicht ungeduldig mit einem Blick auf die Mattscheibe in der Küche hinzu: » Allora? Was ist, bist du nun an dem Zimmer interessiert
oder nicht?«
    Nein, bin ich nicht. Was nicht geht, das geht nicht, denke ich und
trete den Rückzug in Richtung Straßenbahnhaltestelle an.
    An der nächsten Kreuzung entdecke ich eine Bar, setze mich an einen
kleinen, runden Tisch im Hinterraum und bestelle mir einen Cappuccino. An Ort
und Stelle halte ich eine Lagebesprechung mit mir und meinen Notizen ab.
    Stand der Dinge ist, dass ich gerade das letzte Zimmer von meiner
Liste besichtigt habe, die ich in den letzten drei Tagen eilig durch das
Studieren von Wohnungsannoncen und Aushängen in den Fluren von Eliteunis und
Designerschmieden
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