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Fangonia (German Edition)

Fangonia (German Edition)

Titel: Fangonia (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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jeder einen Teil hinzufügen durfte, sodass es immer verwirrender und abstruser wurde. Sie waren so beschäftigt, beschwingt von ihrer neuen Freiheit, lachend, dass ihnen gar nicht auffiel, wie das Wasser seine Farbe änderte.
    Langsam tat es das. Es gab seinen Befahrern Zeit, sich auf das einzustellen, was kommen würde…
    Zuerst färbte sich das helle Wasser tiefblau.
    Dann schlug es ins Grünliche um.
    Jetzt war es ganz dunkelgrün.
    „Merkst du was?“, fragte Joe auf einmal. „Es ist ganz still!“ Ja tatsächlich. Nicht ein Windhauch war zu spüren! Komisch…

    „Wir müssen an Land, so schnell wie möglich!“ Joe und Dina waren wieder in der Realität. Jetzt bemerkten sie die Zeichen des Wassers. Wie konnten sie nur so naiv sein?! Sie ärgerten sich über sich selbst. Sie waren mit dem Wasser aufgewachsen, sie hätten seine Tücken kennen müssen!
    „Das Wasser ist dein Freund.“, sagten die Fischer immer. „Du musst ihn nur beachten, dann warnt er dich vor jeder Gefahr! Wenn du ihn allerdings vernachlässigst, dann wendet sich dieser Freund gegen dich, und seine Strafen sind grausam.“
    Sie mussten an Land. Blieb ihnen genug Zeit, es zu erreichen?
    Joe steuerte zielstrebig auf die schmale Linie zu, der sie längs, unvorsichtig mit immer größerem Abstand gefolgt waren.

    Das Wasser war spiegelglatt – gerade darin lag ja das Bedrohliche. Die Ruhe vor dem Sturm.
    Es ist nicht mehr weit, wir schaffen es. Angespannt beobachteten Dina und Joe die dunklen Wolken, die sich hinter ihnen wie aus dem Nichts aufgetürmt hatten. Sie hingen schwer über ihren Köpfen: schwarz, bedrohlich.
    Die Welt holte noch einmal tief Luft.
    Schon streifte sie der erste Windstoß. Das Meer zuckte. Weiße Gischtkronen befleckten das dunkelgrüne Tuch. Das Wasser regte sich, wurde munterer, fordernder. Die Wellen hoben das Boot immer höher und ließen es und seine jungen Insassen in immer tiefere Wasserschluchten stürzen.
    „Joe, was sollen wir tun?“ Dina hatte sich an den Arm des Jungen geklammert, der das Steuer fest in der Hand hielt und verbissen gegen den Wind ankämpfte.
    „Halt dich nur gut fest! Ich habe alles im Griff. Keine Sorge.“ Er musste es fast brüllen, so sehr toste jetzt der Sturm: über ihnen, unter ihnen und um sie herum.
    Er hatte versucht, mutig, gelassen zu klingen. Er hatte es wenigstens versucht. Dina las auf seinem Gesicht sowieso die Wahrheit wie aus einem Buch ab. Sie hatten beide Angst. Große Angst.
    Jetzt kam der Regen. Er prasselte auf sie hinab. Erbarmungslos schob sich die graue Wand zwischen sie und den Küstenstreifen, den sie kaum noch erkennen konnten. Jetzt war er ganz weg.
    Blitze zuckten auf. Dina schloss die Augen. Das konnte alles nicht wahr sein. Nicht heute. Nicht jetzt. Nicht so!
    Völlig durchnässt und erschöpft klammerten sich die Kinder aneinander. Joe hatte aufgehört zu steuern. Es war zwecklos gegen die Naturgewalt anzukämpfen. Das Boot war zum Spielball der Wellen geworden.
    Wenn wir nur nicht umkippen , dachten sie. Dann sind wir verloren.
    Beide waren gute Schwimmer, doch gegen dieses Schäumen und Tosen ließ sich nichts ausrichten. Das war ihnen klar.
    Es wurde stockfinster um sie herum.
    Blitze warfen ihre zuckenden, grellen Netze über den schwarzen Himmel. Der Wind und der Donner dröhnten in den Ohren der Kinder. Der reißende Wind trieb sie in eine unbekannte Dunkelheit.
    Dann – ein harter Aufprall – ein Schrei. War es Dinas? war es Joes? oder der des Windes?
    Sie hatten irgendetwas gerammt. Das Boot bäumte sich auf. Dina fühlte, wie sie aus dem Boot geschleudert wurde und sich die Wellen über ihrem Kopf brachen.
    Nur ein Traum , dachte sie.
    Dann war alles still.

    Die Insel

    D ina öffnete ihre Augen nicht sofort, als sie aufwachte. Sie wartete darauf, dass das Gefühl des Sandes zwischen ihren Fingern sich verflüchtigte, so wie der Traum, den sie heute Nacht gehabt hatte. Ihr Kopfkissen fühlte sich härter an als sonst. Die Decke rutschte ihr immer wieder herunter, nur um sie von ganz allein wieder zuzudecken und ihr dabei etwas Flüsterndes, Glucksendes zuzuraunen. Alles drehte sich in Dinas Kopf.
    Okay, Schluss jetzt , dachte sie.
    Entschlossen schlug sie die Augen auf, machte sie schnell wieder zu, riss sie wieder auf und sprang hoch.
    Regungslos stand sie da, als könnte sie nicht glauben, was ihre Augen ihr da vorzugaukeln schienen: Ein riesiger Strand breitete sich weitläufig vor ihr aus. Sandhaufen unterschiedlicher Größe
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