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Fangonia (German Edition)

Fangonia (German Edition)

Titel: Fangonia (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Feen und Kobolde denn jetzt?“, durchbrach ein Stimmchen den Kreis, nachdem die Geschichte zu Ende und ein paar Momente lang nachgeklungen war. Dina lauschte gespannt auf die Antwort.
    „Die Feen und die Kobolde, die Zwerge und die Riesen sind schon lange, lange nicht mehr an dieser Küste, oder gar in diesem Land. Das sind Geschichten aus altvergangenen Zeiten, die ich schon von meiner Großmutter gehört habe, und diese hatte sie von ihrer Großmutter! Sie werden seit Generationen weitererzählt. Man sagt, dass, als sich immer mehr Menschen in Gutao niederließen, um Fische zu fangen und zu arbeiten, sie sich zu einem fernen Ort zurückgezogen haben, einem Ort weit draußen auf dem Meer.“ Dabei machte Marla eine Bewegung mit ihrem Arm als würde sie das ganze Meer beschreiben, und die Kinder folgten mit ihren Blicken der schweifenden Bewegung.
    „Den Menschen war es recht, dass sie das Land verließen. Alle waren froh, endlich mehr Platz zu haben für ihre eigenen Häuser und Familien. Eines Tages waren dann alle Wunderwesen fort und niemand fragte mehr nach ihnen. Die Höhlen der Zwerge und Drachen in den Bergen wurden entweder zugeschüttet, oder zu Tunneln durchbrochen. Lediglich die Blumenfelder, in denen die Feen wohnten, blieben. Jedoch hat keine Blüte mehr solch eine Farbenpracht hervorgezaubert wie einstmals mit der Hilfe ihrer kleinen Gärtner. Die Wurzeln der Kobolde verstummten… Ja, Kleine!“ Die Alte nickte bekräftigend als ein Mädchen einen ungläubigen Laut von sich gab. „Die Bäume konnten damals sprechen… Alles lebte! Doch als die kleinen und großen Zauberwesen weg waren, verblassten sie in den Erinnerungen der Menschen und der Blumen, der Berge und der Bäume. Allein die Geschichten zeugen noch von ihnen. Auch wenn heute niemand mehr an sie glaubt.“
    Allein die leisen, sanften Wellen, die ans Ufer rollten, waren zu hören. Alle Kinder lauschten zu gespannt, um einen Ton von sich zu geben. Auch Dina hatte den Atem angehalten. Sie hatte doch auch immer gedacht, dass die Wesen der Fantasie entsprungen waren – sollten sie denn tatsächlich wirklich sein? Und wenn, wo waren sie? Hatte denn wirklich niemand einmal nach ihnen gesucht?
    „Hat denn niemand nach ihnen gesucht?“
    Dina hätte den kleinen Jungen am liebsten umarmt für diese Frage. Sie selbst hielt sich noch immer für zu erwachsen, um sich zu dem kleinen Kreis zu gesellen. Die alte Frau holte tief Luft. Sie ließ ihren Blick weit hinaus aufs Meer gleiten. Er ruhte einen Moment am Horizont, fast sogar eine Spur darüber, so als erhoffte sie hinter dieser Scheidelinie von Luft und Wasser, Himmel und Erde irgendetwas zu erspähen. Es war aber nichts zu sehen außer den üblichen Fischerbooten, die weit draußen als Punkte auf dem heute glatten, flüssigen Silbermeer ihre Netze auswarfen. Sie kannten das Meer auch anders. Es hatte viele Seiten: eine stürmische, eine tobende und tosende, eine wütende, eine brausende, aber auch diese schöne, stille und sanfte Seite.
    Langsam ließ die Alte die Luft zwischen den halb geöffneten Lippen wieder entweichen. „Doch“, sagte sie langsam. „Doch, es gab jemanden, der sie suchen ging. Vor langer Zeit ist jemand aufs Meer hinausgefahren, um nach ihnen zu suchen. Jemand, den ich sehr lieb hatte…“
    Auf einmal war die Frau sehr müde und wies jede weitere Frage mit einem leichten, fast unmerklichen Kopfschütteln ab. Sie hatte ihr Netz wieder auf den Schoß genommen und machte sich daran es zu flicken. Als die Kinder merkten, dass die Erzählstunde vorüber war, löste sich das Grüppchen auf. Einige begannen Fangen zu spielen, andere zogen sich die Kleider aus und planschten in den seichten Wellen.
    Dina zog ihre Füße, die die ganze Zeit im Wasser baumelten, hoch und warf einen Blick auf die alte Frau, die ihr jetzt fast noch älter, noch faltiger erschien. Diese hob kurz ihren Blick und lächelte Dina zu. Dina erwiderte das Lächeln und formte ein lautloses „Danke“. Sie war noch ganz in Gedanken versunken – Aber nein, das ist alles nur erfunden! – Sie hob die Muschel wieder an ihr Ohr – Marla kann nur wunderbar erzählen. Sei nicht so kindisch, Dina! – als sie jemanden ihren Namen rufen hörte. Sie drehte sich in die Richtung, aus der der Ruf kam.
    „Da bist du also, ich hab dich schon die ganze Zeit gesucht.“
    Es war Joe. Dina winkte ihm mit der Muschel zu und rannte zum Ufer.



Joe

    „ O h, das ist ja eine super Muschel! Klasse Dina!“ Joe war begeistert
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