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Fangonia (German Edition)

Fangonia (German Edition)

Titel: Fangonia (German Edition)
Autoren: Ulrike Talbiersky
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stolperte.
    „Au – was ist los, wo bin ich, wer ist da?“ Joe fand nur langsam aus seinen Träumen zurück. Sein Schienbein, gegen das Dina gelaufen war, half ihm dabei ein wenig. Er rieb es sich mit der einen Hand, während die andere sich den Schlaf aus den Augen wischte.
    „Ich bin’s, Dina, tut mir leid!“, flüsterte Dina und massierte die nackten Zehen ihres rechten Fußes, die so unsanft gegen Joes Bein gestoßen waren.
    Sie wagte nicht lauter zu sprechen. Stimmen in der Dunkelheit hörten sich immer so unheimlich an, selbst wenn es die eigene war.
    „Dina, wie spät ist es, was machst du hier?“ Joe hatte sich mittlerweile aufgesetzt und kramte nach etwas in seiner Hosentasche.
    „Ah, da ist es“, rief er ohne auf Dinas Antwort zu warten.
    Ein Lichtchen flackerte auf. Joe hatte ein Streichholz angezündet und suchte jetzt nach dem Kerzenstummel, den er gestern mit Wachs auf dem Boden befestigt hatte, um noch lesen zu können. Da war er. Das Licht zauberte lange unheimliche Schatten auf die Wände des Bootshauses. Dina fröstelte, aber Angst hatte sie keine.
    „Also, was ist los?“ Jetzt hatte Dina Joes ungeteilte Aufmerksamkeit.
    Hastig erzählte sie ihm, was am Abend vorgefallen war. Mit einem Anflug von Genugtuung schaute sie in sein entgeistertes Gesicht. Sie war froh, ihn auf ihrer Seite zu wissen. Er wollte also auch nicht, dass sie fort zog. „Und deswegen werde ich jetzt zu meinem Opa fahren, und so lange bei ihm bleiben, bis es sich meine Eltern anders überlegt haben. – Vielleicht den ganzen Sommer über“, fügte sie leise hinzu.
    Dass sie Joe den ganzen Sommer über nicht würde sehen können, war der einzige Nachteil an dem Plan.
    „Du brauchst ein Boot, um dahin zu kommen“, sagte Joe nach einer Weile kurzen Schweigens. „Du hast aber kein Boot!“ „Ich weiß, ich wollte mir eines der Ruderboote, mit denen die Kinder spielen, ausleihen – und rudern“, gestand Dina. Sie sah an Joes zweifelndem Blick, dass er ihr diesen Kraftaufwand nicht zutraute.
    „Es gibt ein paar heftige Strömungen weiter im Norden“, bemerkte er vorsichtig.
    Dina seufzte. Das wusste sie auch.
    „Aber ich muss es tun, das verstehst du doch, Joe. Ich kann nicht hier bleiben und darauf warten, in diese Schule gesteckt zu werden. Die Strömungen… Ich werde es einfach versuchen! Ich muss.“
    Joe nickte und grinste plötzlich verschmitzt. „Weißt du was? Ich habe ein Boot!“ Er hatte darauf gebrannt, ihr davon zu erzählen. Nachdem er am Abend vom Pier zurückgeschlendert war, hatte er seinem Vater mit dem Fang geholfen. Nach einer Weile hatte der Vater ihm auf die Schulter geklopft und ihm das Boot geschenkt. Er hatte es ja vermutet, aber es schien ihm trotzdem noch wie ein Traum, den er noch nicht ganz begriffen hatte.
    „Ich habe ein Boot!“, sagte er nochmals. Dieser Satz hörte sich zu gut an.
    Ungläubig sah Dina Joe an. „Wirklich?“
    Dina hätte gar nicht fragen müssen. Selbst bei dem schwachen Kerzenlicht konnte sie die Aufregung und die Freude auf seinem Gesicht deutlich erkennen.
    „Welches ist es?“, sie schaute sich um.
    Es lagen drei Boote im Bootshaus. Zwei schwere Fischerboote, die bestimmt fünf Männer und einen ganzen Tagesfang fassen konnten, außerdem noch ein etwas leichteres Boot, das ganz dunkelgrün gestrichen war.
    Auch hier war die Frage überflüssig. Natürlich, Dunkelgrün war Joes Lieblingsfarbe.
    Sie stand auf und betrachtete es. Joe strich zärtlich über die eingetrocknete Farbe. Sie war gut eingezogen, er war stolz auf seine Arbeit.
    „Ich freue mich riesig für dich, Joe! Aber ich kann nicht dein Boot nehmen. Damit kann ich alleine auch gar nicht umgehen!“, überlegte Dina.
    „Das sollst du auch gar nicht“ Joe schüttelte heftig den Kopf, sie hatte nicht verstanden, worauf er hinaus wollte. „Ich werde das Boot fahren. Ich komme mir dir.“
    Dina hatte so sehr gehofft, dass er das sagen würde. Sie hätte nie gefragt, aber gewünscht hatte sie es sich. Schon als der Plan Gestalt annahm, hatte sie daran gedacht, ihn mit Joe zu verwirklichen.
    Sie hatten doch bislang alles zusammen gemacht. Seit dem Tag, als sie neu in das Dorf gekommen und Joe ihr in der Schule den Platz neben sich angeboten hatte, waren sie unzertrennlich.
    Freudig fiel sie ihm um den Hals.
    „Oh Joe, das ist wunderbar! Vielen Dank!“ Joe grinste verlegen. „Können wir gleich los fahren?“ Dina wurde etwas ungeduldig, die Nacht rückte langsam vor. In ein paar Stunden würde
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