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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail
Autoren: Tanja Nasir
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Das Konzert

    D ONNERSTAG. Seit Tagen freute ich mich auf diesen Abend. Es sollte mein erstes und wohl auch letztes Konzert meiner neuen Lieblingsband ›Dark Tower Alliance‹ werden. Ich hatte mir für den Nachmittag Urlaub genommen, doch es fiel mir schwer, mich am Morgen auf meine Arbeit zu konzentrieren.
    Aufgeregt und appetitlos ackerte ich mich durch die Ordner auf meinem Schreibtisch. Gott sei Dank kamen heute nicht so viele E-Mails. Auch das Telefon nervte mich ausnahmsweise nicht. Mein Kaffeebecher stand neben der Tastatur. Als ich mich ein Stück vorbeugte, sah ich, dass er noch halb gefüllt war. ›Mist!‹
    Da hatte ich mir extra für 3,80 Euro einen Latte macchiato Karamell gekauft, und jetzt war er einfach auf meinem Schreibtisch gestorben.
    ›Hm, ich könnte ihn kurz in die Mikrowelle stellen. Nein!‹ Ich schüttelte den Kopf.
    Das würde jetzt nur Zeit kosten. Ich musste unbedingt den Stapel vor mir los werden, damit ich mit einem guten Gewissen um eins gehen konnte. Ich versuchte, mich wieder auf die Daten zu konzentrieren.

    Zur Information: Ich arbeite als Sachbearbeiterin bei einer Versicherung. Wenn sich Kundendaten ändern, Schadensfälle gemeldet werden oder Hans-Jürgen Wischnewski irgendeine Frage zu seinen Tarifen hat, dann tippe ich das in meinen PC. Ich weiß, es ist nicht der aufregendste Job der Welt, aber er ist sicher. Pünktlich am Monatsende erhalte ich mein Gehalt, und damit komme ich auch gut aus. Dafür sollte man in der heutigen Zeit dankbar sein, nicht wahr?!

    Ich schaute mich kurz um. Normalerweise waren wir hier zu viert. Doch Birgit hatte heute Urlaub, und Claudia war auf einem Lehrgang. Nur Susi saß mir gegenüber. Sie war ebenfalls damit beschäftigt, irgendwelche Daten in ihren PC einzugeben. Sie achtete nicht auf mich. Ich nutzte den Moment und öffnete den Ordner ›Nadia Privat‹. Dort klickte ich auf den Unterordner ›Fotos‹. Normalerweise konnte ich mich nicht entscheiden, welches Bild ich mir zuerst ansehen sollte, doch heute war mir das egal. Ich vergrößerte gleich das Erste und schaute in die schönsten braunen Augen der Welt. Sofort zauberte sich dieses dümmliche Grinsen auf mein Gesicht, und ich legte den Kopf verträumt seitlich auf die Schulter. Dazu einmal tief ein- und ausatmen. Ich weiß, wie dämlich das aussieht, doch ich bin absolut machtlos. Dagegen kann ich mich nicht wehren. Um diese Augen herum befindet sich das schönste Gesicht der Welt mit dem schönsten Lächeln, das es geben kann. Und dieses Gesicht gehört Joshua Streta. Seufz!
    Er ist Schlagzeuger einer Band aus Köln, die gerade dabei ist, in Deutschland richtig durchzustarten. ›Dark Tower Alliance‹, kurz ›DTA‹ genannt.

    Die Band besteht aus fünf Jungs die Anfang bis Mitte 20 sind. Fünf Freunde. Nicht zusammengecastet. Es war absolut reiner Zufall, dass ich auf diese Band aufmerksam geworden bin.
    Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Zufall und reinem Zufall?
    Als ich letzten Monat mit einer dicken Erkältung vier Tage krankgeschrieben war, habe ich oft bis drei Uhr morgens ferngesehen.
    Kennt ihr das auch, dass eine Erkältung nachts immer am schlimmsten ist? Und tagsüber kann man sich eigentlich ganz gut ausruhen.
    Jedenfalls lief da auf einem Musiksender ein Bericht über Newcomer. Und die Jungs von ›DTA‹ wurden vorgestellt. Joshua fiel mir sofort auf. Obwohl der Frontmann und Sänger Sven im Mittelpunkt stand und alle Fragen geduldig beantwortete, konnte ich meinen Blick nicht von Joshua wenden. Er stand am Rand in seinen zerfetzten Jeans und dem roten T-Shirt. Er trug einen modernen dünnen Schal und ausgelatschte Chucks. Er lächelte charismatisch in die Kamera. Zustimmend nickte er, wenn der Reporter sich an ihn wandte und Bestätigung suchte. Außerdem zwirbelte er unauffällig einen kleinen Faden auf, der von seinem Shirt zu kommen schien. Interessiert guckte ich mir den Rest des Beitrages über die Band an und googelte sie gleich am nächsten Tag. Auf der Homepage registrierte ich mich in der Community und las mir das Gästebuch sowie einige Foreneinträge durch. Die Fanbase war noch ziemlich klein, und der Altersdurchschnitt lag etliche Jahre unter meinem. Die Jungs hatten Fotos von ihren ersten beiden Shootings online gestellt, und ich konnte mich einfach nicht satt sehen. Natürlich kam ich mir dabei wie ein typischer Teenie-Fan vor, aber das störte mich wenig. Ich lud eifrig die Bilder auf meinen PC und bestellte mir im Fanshop gleich das
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