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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail
Autoren: Tanja Nasir
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mich sogar an.
    Endlich erreichte ich Christin. »Hey Nadia, schön, dass du da bist«, begrüßte sie mich herzlich.
    Sie stellte mir ihre Freundin vor, und ich erzählte von der Autogrammstunde. Anschließend redeten wir nur noch über die Band. Christin und ihre Freundin standen total auf Sven. Das war mir sehr recht.

    Pünktlich um sieben wurden die Türen geöffnet, und es folgte eine heftige Sturm- und Drangphase. Ich wurde regelrecht mit dem Strom in die Halle getragen. Ich glaube, teilweise berührten meine Füße nicht mal den Boden. Wir konnten uns Stehplätze in der fünften Reihe sichern und quakten mit roten Wangen ganz aufgeregt. Nach einer halben Stunde war die Halle gefüllt. Um acht kam eine Vorband auf die Bühne. Aber leider waren die echt mies. Einige Fans buhten sogar. Ich war froh, als die Typen mit ihrem Heavy-Metal-Programm fertig waren und das Licht ausging. Christin griff nach meiner Hand. Sie war kalt und nass. Genau wie meine. Endlich war es soweit, und die Jungs betraten nacheinander die Bühne.
    Das Konzert war der Hammer! Noch besser, als ich mir es vorgestellt hatte. Die Fünf wussten, wie man eine Menge zum Tanzen brachte! Sven hatte live ebenfalls eine Super-Stimme. Manchmal wird man da ja von Künstlern bei Konzerten arg enttäuscht.
    Nach 90 Minuten war leider schon alles vorbei. Von mir aus hätte es noch Stunden weiter gehen können. Ich hatte die ganze Zeit einen super Blick auf Joshua. Schon nach dem zweiten Song war er total verschwitzt. Sein T-Shirt klebte an seinem Leib, seine nassen Haare in Strähnen am Kopf. Er trug zwar zwei Schweißbänder an den Handgelenken und tupfte sich damit auch öfter ab, aber dennoch tropfte es an ihm herunter. Ich hätte mich am liebsten auf ihn gestürzt.

    Nach dem Konzert leerte die Halle sich extrem schnell. Christin schlug vor, draußen zu warten.
    »Wenn nicht so viele Leute da sind, geben sie Autogramme. So habe ich die ja schon mal getroffen!«
    Stolz zeigte sie mir ihre Autogramme. Neugierig betrachtete ich die Unterschriften. Einen kurzen Moment sah ich vor meinem inneren Auge, wie ich sie ihr aus der Hand riss und mich hysterisch lachend vom Acker machte.
    Stattdessen sagte ich nur: »Klar, ... warten wir draußen!«

    Nach 20 Minuten kam die Band wirklich aus der Halle. Ich wollte schreien vor Glück. Doch ich hatte keine Stimme dafür.
    So hatte sich Arielle also gefühlt, als ihr die Meerhexe Ursula die Stimme raubte und sie Prinz Eric nicht sagen konnte, wer sie war.
    Wir konnten sehen, dass die Fünf sofort von Mädchen umringt wurden und geduldig Autogramme gaben. Wir kicherten wie aufgeregte Hühner und näherten uns langsam der Gruppe. Meine Beine waren bleischwer. Jetzt machten sich die eineinhalb Stunden auf Zehenspitzen stehen bemerkbar. Sie bewegten sich steif und grobmotorisch. Die Jungs hingegen waren locker und unterhielten sich ungezwungen mit den aufgeregten Mädchen. Immer wieder baten sie die Fans, sich zu beruhigen. Wie Robocop bewegte ich mich auf Joshua zu. Jetzt stand ich fast vor ihm! Mein Herzschlag beschleunigte sich erneut. Ich war noch nicht völlig ausgepowert nach dem Konzert. Mir wurde heiß, kalt, schlecht …! Es flatterten Schmetterlinge in meinem Bauch. Ich fühlte mich wie in der Achterbahn.

    Plötzlich, es geschah! Josh hob seinen Kopf und sah mir direkt in die Augen. In diesem Moment stand die Erde still. Er schaute mich an. Nur mich. Ich versank in seinen wundervollen Augen und lächelte. Er grinste ebenfalls.
    Wie ein Depp hielt ich ihm wortlos meine Eintrittskarte hin. Verdammt! Warum hatte ich nichts Besseres? Typisch!
    Ich sah, wie er die Lippen bewegte und fragte: »Mit Widmung?«
    Joshua klang höflich, distanziert, routiniert, als wäre er gerade auf der Arbeit, in einem Kundengespräch. War er das nicht irgendwie auch?
    Ich lächelte weiter und nickte. Irritiert schaute er mich weiterhin an. »Und dein Name ist …?«
    Den Kopf legte Jo leicht schief und zog die Augenbrauen hoch. Er sah zum Anbeißen aus.
    »Nadia. Mit I.« Es war ein raues Flüstern, meine Stimme versagte vor Aufregung.
    Joshua runzelte leicht die Stirn und unterschrieb.
    Ich hörte mich an wie eine alte Uschi, die für eine der zahlreichen und überflüssigen 0900-Nummern Werbung machte. »Ruf mich an Bursche!! Mit meinen 65 Jahren bin ich noch immer heiß wie …«
    Er gab mir die Karte zurück, und ich stand da und dachte an eine Sex-Hotline. Als ich nach der Karte griff, berührten meine Fingerspitzen seine Hand,
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