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Am Anfang war die Mail

Am Anfang war die Mail

Titel: Am Anfang war die Mail
Autoren: Tanja Nasir
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und wir sahen uns erneut in die Augen. Ich war elektrisiert. Es kam mir vor, als ob sich ein Feuer zwischen uns entfachte und eine Flamme der ewigen Liebe geschürt wurde! Natürlich empfand nur ich das so. Er hatte sich schon wieder weg gedreht. Andere Fans sammelten sich um ihn herum, und er posierte lächelnd für Fotos.
    ›Fotos!‹ Klar, ich wollte auch eines mit ihm.
    Zögernd trat ich vor und piepste: »Joshua?«
    Er drehte sich nochmals um und sagte: »Hier. Bei der Arbeit!«
    Wieder sein Lächeln. Ich schmolz dahin. Christin nahm mir die Kamera aus der Hand, schubste mich in seine Arme und machte ein Bild. Blitz! Für einen Moment war ich geblendet. Ich drehte den Kopf und wollte mich bei ihm bedanken. Wollte cool wirken und ihm nicht zeigen, dass in mir alles auf den Kopf gestellt war. Ich wollte ein lässiges »Hey, danke!« raus hauen und noch Autogramme von den anderen einsammeln.
    »Ich finde dich echt toll!«
    Wumms!
    ›Hab ich das gerade laut gesagt?‹
    Ich wollte auf der Stelle sterben. Das war wohl das Peinlichste, was mir je passiert war. Mein Kopf wurde rot, und eine unerträgliche Hitze stieg in mir auf. Ich blickte zu Boden und wartete auf ein schwarzes Loch, welches mich verschluckten sollte …! Aber nichts passierte.
    ›Wo bist du Scheiß-Hölle, wenn man dich mal braucht!?‹

    Schon immer hatte ich mich über diese Teenies aufgeregt, die sich nicht kontrollieren konnten und bei jeder Gelegenheit »Ich liebe dich!« oder »Ich will ein Kind von dir!« rausplärrten. Als ich noch regelmäßig die ›Bravo‹ gelesen hatte, schaute ich mir immer die Rubrik ›Du und dein Star‹ an, wo Leute Bilder veröffentlichen konnten, auf denen sie mit ihren Idolen abgelichtet waren. Darunter stand dann ein kurzer Satz zur Erläuterung.
    Wie zum Beispiel: »Michaela trifft Gary Barlow beim Shoppen in Manchester.«
    Meinem persönlichen Schönheitsempfinden nach waren das nicht gerade Miss Germanys, die oft dieses Glück hatten.
    Also stellte ich die Theorie auf, dass grundsätzlich nur hässliche Fans ihre Idole treffen. Diese hässlichen und dicken Mädels halten stolz wie Oskar ihre Zahnspange in die Kamera und machen peinliche Fotos. Auf den Bildern quetschen sie sich ganz eng an ihre Lieblinge ran. Sie möchten am liebsten Wange an Wange abgelichtet werden. Den Stars sieht man aber auf jedem Bild an, wie ängstlich und gequält sie in die Kamera schauen. Innerlich scheinen sie zu beten, dass es bald vorbei wäre und die dicken Eiterpickel der Mädchen nicht aufplatzten und ihnen das Gesicht wegätzten. Wie oft hatte ich Robbie Williams oder Nick Carter mit diesem Blick gesehen? Unzählige Male! Da ich nie zufällig beim Einkaufen auf Justin Timberlake gestoßen war, redete ich mir also zehn Jahre lang ein: ›Ich bin zu hübsch, um jemanden Berühmten zu treffen.‹
    Irgendwie muss man ja als Teenager durchs Leben kommen!

    Jetzt stand ich aber hier … und benahm mich wie sie. Joshua reagierte unbeeindruckt. Gelassen bedankte er sich. Als wäre nichts gewesen. Super! Da habe ich einmal Glück und blamiere mich völlig. Typisch Nadia!
    In mir herrschte Chaos. Die eine Hälfte wollte sofort weg, … am Besten im Boden versinken! Die andere wollte noch bleiben. Wollte so lange wie möglich in seiner Nähe sein.
    Christin und ihre Freundin verabschiedeten sich kurz darauf. Ich blieb alleine zurück. Tigerte in der Nähe der Band herum. Toootaaal unauffällig, sag ich euch. Langsam löste sich der ganze Haufen der Fans auf. Man hörte überall ein munteres »Ciao«.
    Die Jungs machten sich auf den Weg zum roten Tourbus.
    Ich ging wie ferngesteuert hinterher und hörte mich laut sagen: »Joshua?«
    Fünf Köpfe drehten sich nach mir um. Zehn Augen sahen mich an. Ich kam mir klein vor. Winzig.
    ›Bin ich jetzt total durchgeknallt?‹
    »Äh, ich würde dich gerne zum Essen einladen!«
    Nein! Das war nicht ich. Das war ein peinlicher Dämon in mir. Er hatte von meinem Körper Besitz ergriffen und machte, was er wollte. Marco und Sven sahen sich an und grinsten. Ich spürte, wie mein Gesicht Feuer fing. Toll! Ich wurde zu allem Überfluss krebsrot. Joshua war überrascht. Er schien nachzudenken. »Hm, schick mir doch einfach mal ’ne E-Mail! Ich meld mich dann, … Nadia, mit I. Richtig?!« Charmant lächelte er.
    ›Er weiß meinen Namen?!‹ Ich wollte sofort in Ohnmacht fallen, doch ich beherrschte mich. Gerade so.
    »Richtig. Mach ich!«, sagte ich und dachte: ›Als ob da was
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