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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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Veranstalter damals, eigentlich bekämen die
Künstler von ihm nach dem Auftritt immer einen großen Blumenstrauß, aber das
sei ja nun Quatsch in meinem Falle, wo ich doch mit der Bahn unterwegs sei
und, wie er gesehen habe, noch sieben Folgeauftritte in Bayern hätte, da sei
das ja Quatsch mit so einem Riesenblumenstrauß, den ich dann immer durch die
Hotelzimmer und die Züge schleppen müsste, eine ganze Woche lang, der reinste
Quatsch sei das ja dann mit so einem Blumenstrauß, da käme ja in Berlin
praktisch gar nichts mehr von an, von diesem Blumenstrauß, weshalb das ja nun
wohl Quatsch sei. Und deshalb habe man sich für ein vernünftigeres, robusteres
Geschenk entschieden, nämlich für eine Spezialanfertigung aus der örtlichen
Steingutmanufaktur, eine schöne, schwere, massive Steingutobstschale. Hui, da
habe ich mich aber gefreut.
    Die Schale
passte nicht so recht in den Koffer. Also natürlich passte sie rein, aber dafür
musste ich dann Unterhosen und T-Shirts in einer Plastiktüte extra tragen. Gott
sei Dank aber nur zwei Tage lang, denn zwischen den Stationen drei und vier
oder, genauer gesagt, zwischen Mühldorf am Inn und Töging, da habe ich dann
diese Tüte mit den Unterhosen und den T-Shirts in der Regionalbahn vergessen.
Logisch.
    Wer Töging
in Niederbayern kennt, weiß, dass es dort kein Geschäft gibt, das
alltagstaugliche, robuste, reisefreundliche Herrenunterbekleidung verkauft. Wer
es nicht kennt, weiß es jetzt, braucht es sich aber meines Erachtens nicht unbedingt
zu merken.
    Na ja, ich
dachte mir schließlich: Gott, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Du bist
ja alleine unterwegs. Und außerdem kann man da doch viel mit Waschen machen.
Also mit Sich-selbst-Waschen. Das wird ja oft unterschätzt. Die Wirkung vom
Sich-selbst-Waschen. Gerade Männer unterschätzen das ja besonders häufig.
Diesen ganzen Bereich Eigengeruch. Wobei man andererseits diese ganze Thematik
aber auch nicht aus dem Zusammenhang reißen darf. Was im privaten oder
persönlichen Bereich eventuell unfreundlich oder rücksichtslos wirkt, Stichwort
Eigengeruch oder Sich-selbst-Waschen, kann global gesehen, Stichwort Umwelt,
Grundwasserbelastung und Klimakatastrophe, auch sehr verantwortungsvoll sein.
Aber gerechterweise muss man sagen, die wenigsten Männer, die stinken,
stinken, um die Welt zu retten. In Töging dachte ich mir einfach, Gott, es
merkt ja letztlich gar keiner, also den Geruch, und die, die vielleicht doch
was riechen, die kennst du gar nicht. Und ging ja dann auch. Sowieso nimmt man
immer viel zu viel mit auf Reisen. Oft auch eigentlich völlig unnützes Zeug,
wie zum Beispiel große, massive, schwere Steingutobstschalen.
    Aber egal,
nach sieben beschwerlichen Reisetagen konnte ich daheim in Berlin endlich meine
Schale präsentieren, nicht ohne Stolz. Die Freundin kleidete ihre Begeisterung
in die Worte: «Boah, is die hässlich! Die kannst du direkt zu den
Flohmarktsachen in den Keller bringen.» Ich wies so sachlich, wie es mir nur
möglich war, darauf hin, dass ich diese Schale eine Woche lang durch quasi ganz
Bayern geschleppt hatte. Sie antwortete: «Na, dann wirste ja die paar Treppen
bis in den Keller jetzt wohl auch noch schaffen. Außerdem, wie riechst du
eigentlich?» Ich wies nochmals, nun bereits mit etwas brüchiger Stimme, darauf
hin, dass ich diese Schale eine komplette Woche kreuz und quer durch das
erstaunlich weitläufige und hügelige bayerische Land geschleppt und dafür
zudem meine mehr oder weniger gesamten Unterhosen und T-Shirts geopfert hatte.
    Die
Freundin sagte, die Berliner Mauer zu bauen hätte auch sehr viele Opfer
gekostet, jede Menge Arbeit und Mühe gemacht und deutlich länger als sieben
Tage gedauert. Hätte man die jetzt deshalb etwa stehenlassen sollen? Ich
flüsterte heiser, sie könne doch wohl nicht die Berliner Mauer, das Symbol für
Teilung, Reisebeschränkung und Schießbefehl, mit einer Obstschale vergleichen.
Das machte sie nachdenklich. Sie hielt kurz inne und befand dann: «Ich denke
darüber nach, während du die Schale in den Keller bringst.»
    Also gut,
das war ja nun wohl ein Konflikt. Als gewiefter Pädagoge weiß ich natürlich,
wenn man versucht, Konflikte mit Argumenten oder Vernunft zu lösen, dann gibt
es nur Streit. Bei Konflikten muss man verwirren und ans Herz appellieren. Also
sagte ich: «Sie heißt Pirmin.»
    «Wer?»
    «Die
Schale, sie heißt Pirmin.»
    «Du hast
der Schale einen Namen gegeben?»
    «Ja.»
    «Das glaub
ich dir nicht,
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