Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
Vom Netzwerk:
man nochmal verwenden, selbst total verbrauchte,
abgestandene, uralte Luft. Wenn man sich mal die Mühe machen würde, da eine
Gummiblase, ein Ventil und einen runden Lederbesatz drumzumachen, könnte man
da nochmal richtig gut mit Fußball spielen.
    Sehe, dass
die Zeitung, die ich lese, schon rund zweieinhalb Jahre alt ist. Genau, das
Altpapier wegbringen, das wäre auch mal eine Idee. Wo man sich nicht überall
mal die Mühe machen könnte. Dann hätte ich endlich wieder Platz für neue
Zeitungen. Natürlich kann man sich eine Weile mit einem schlichten Wenden des
Altpapierstapels oder zumindest dem Wenden von größeren Teilen des
Altpapierstapels behelfen und hat dadurch eine mehr oder weniger neue Zeitung
oder eine Zeitung, die sich wenigstens anfühlt, als wäre sie neu. Also eine Art
gebrauchtes «neu». Aber das ist nun echt nichts Ungewöhnliches. Richtig vieles
von dem, was einem heutzutage so als «neu» angeboten wird, ist ja letztlich
doch eher so ein gebrauchtes «neu». Das war allerdings schon immer so. Das ist
sozusagen auch nichts Neues. Im ersten Absatz des Zeitungsartikels, den ich
jetzt schon seit über einer Stunde zu lesen angefangen habe, steht, dass die
Funktionäre gegen einen Boykott der Olympischen Spiele in China sind. Hui,
über diesem Artikel bin ich, glaube ich, in den letzten zweieinhalb Jahren
schon viermal weggedöst. Die IOC-Funktionäre finden, man solle einen dicken
Trennstrich zwischen Sport und Politik ziehen. Ach, wenn sich doch jemand mal
die Mühe machen würde, einen dicken Trennstrich zwischen den IOC-Funktionären
zu ziehen. Was bin ich froh, dass ich damals nicht Leistungssportler geworden
bin. Habe ja lange mit dem Gedanken gespielt, mir überlegt: Mensch,
Leistungssport, das ist doch super, dann bist du mit Mitte dreißig mit dem
Beruf fertig und kannst vielleicht noch ein bisschen Trainer oder Sportjournalist
sein, oder du machst einen Jazzclub auf oder eine Tankstelle. Vorher gehste
erst mal zu Olympia, Auswahlkader, Medaillen, Interviews, pipapo, diese ganze
Rutsche. Eigentlich war das alles schon mehr oder weniger geregelt und
beschlossen. Aber dann habe ich irgendwie den Bus zum ersten Training verpasst,
und während ich auf den nächsten wartete, bin ich weggedöst, und noch bevor ich
wieder so richtig wach war, war ich auf einmal Mitte dreißig, und die Zeit
meiner größten sportlichen Leistungsfähigkeit war vorbei.
    Aber
ehrlich gesagt, ich vermisse den Leistungssport kaum. Schließlich bin ich auch
in der Lage, mir abseits von Wettkampf und medialer Öffentlichkeit meine
großen Herausforderungen zu suchen. Wie kürzlich, als ich mal eben schnell das
neue Speisekammerregal aufgebaut habe. Obwohl, zu behaupten, ich hätte es
aufgebaut, ist jetzt ein klein wenig übertrieben, und «mal eben schnell» trifft
es auch nicht so ganz. Eigentlich hätte ich das Altpapier wegbringen sollen,
aber weil ich dazu keine Lust hatte, habe ich gesagt, ich baue noch eben
schnell das Speisekammerregal auf, und danach bringe ich das Altpapier weg. Im
Nachhinein muss ich zugeben, diese Art der Vermeidungsstrategie oder Prokrastination
war nicht sehr umsichtig. Als wenn man so einen leichten, etwas unangenehmen
Koriandergeschmack im Mund hat, und um diesen Nachgeschmack wegzubekommen,
dann drei Portionen Gyros mit Tsatsiki isst, dazu fünf Bier mit Korn trinkt und
zwischendrin drei bis vier billige Zigarren raucht. Natürlich ist man dann den
Koriandergeschmack los, aber sehr umsichtig ist es trotzdem nicht. Das
Speisekammerregal war genau genommen eine Speisekammerregalsystemlösung,
welche wir von Freunden geschenkt bekommen haben, die wegen eines Umzugs nach
Süddeutschland ihre Berliner Wohnung auflösen mussten. Eine
Speisekammerregalsystemlösung ist so etwas wie eine Schrankwand, nur eben für
Leute, denen eine Schrankwand zu spießig wäre. Also hat man für diese Leute die
Regalsystemlösung erfunden, damit die sich modern und zeitgemäß einrichten
können und trotzdem nicht auf ihre Schrankwand verzichten müssen. Das ist
ähnlich wie bei Menschen, die ein wenig stolz darauf sind, keinen Fernseher
mehr in der Wohnung zu haben, und stattdessen ganz medienkompetent am Computer
oder auf dem Handy «Lafer kocht lecker Lichter» gucken.
    Da unsere Speisekammer sehr klein
ist, sollte natürlich nur ein Teil der Regalsystemlösung darin aufgebaut
werden. Den Rest wollte ich irgendwann im Keller aufbauen, um da auch mal ein
bisschen Struktur und Ordnung reinzubringen. Es hat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher