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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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dann doch mehrere Tage
gedauert. Viel wurde geschimpft, mehrfach sagte man mir ein Scheitern voraus,
und ich habe erstmals in meinem Leben von brennenden Regalsystemlösungen
geträumt. Aber irgendwann war es mir tatsächlich gelungen: Durch einen
beherzten, unkonventionellen, nicht selten gewaltsamen Aufbau hatte ich rund
die Hälfte der Systemlösung irgendwie in der Speisekammer untergebracht.
Allerdings war die Speisekammer dadurch auch praktisch voll und für die
Lebensmittel und das sonstige Gerumpel, das dort immer rumstand, nicht mehr so
richtig Platz. Zumindest ließ sich nun sehr viel weniger in der Speisekammer
unterbringen als vorher. Diese übrigen Sachen verteilten sich schnell auf die
ganze Wohnung und leider teilweise auch bis ins Treppenhaus. Natürlich nur
übergangsweise, also für die kurze Zeit, bis ich das Speisekammerregal nochmal
umgebaut oder mit der anderen Hälfte der Regalsystemlösung im Keller neuen
Stauraum geschaffen haben würde. Nachdem dieser kurze Moment dann aber ein paar
Monate angedauert hatte, begann es in der Familie und auch in der restlichen
Hausgemeinschaft zu rumoren. Es entstanden Spannungen. Spannungen, die sehr
bald auch mich erreichten. Um wieder etwas Luft beziehungsweise Platz zu
gewinnen, habe ich dann einiges von dem Speisekammerzeug in Kartons verpackt
und mit der Post an mich geschickt. Dadurch war es vier bis fünf Tage
unterwegs, und wir hatten so lange wieder ein bisschen mehr Raum in der
Wohnung. Nach einiger Zeit habe ich allerdings gemerkt, es ist noch viel klüger,
nicht zu Hause zu sein, wenn die Pakete kommen. Dann werden sie nämlich sieben
Werktage in der Post gelagert, bis sie an den Absender, also mich, zurückgehen,
wodurch ich quasi für das gleiche Porto fast drei Wochen mehr Platz, also
Wohnraum, gewonnen habe.
    Habe dann
sogar versucht, die Speisekammerpakete auf dem Seeweg zu verschicken, weil es
dann ja noch billiger ist und die Pakete noch viel länger unterwegs sind. Musste
allerdings feststellen, wenn man Sachen innerhalb von Berlin verschickt, wird
der Seeweg nicht angeboten. Schade. Trotzdem, also vielleicht mal als
Geschäftsidee. Wenn man zum Beispiel eine zuverlässige Adresse in Südamerika
hätte, wären die Sachen hin und zurück fast ein ganzes Jahr lang unterwegs, und
das Ganze wäre viel billiger als jeder angemietete Lagerraum in Berlin, und
versichert wären die Sachen auch noch. Nur mal so als Gedanke. Man müsste
natürlich sicherstellen, dass dieser Bekannte in Südamerika dann auch
garantiert nicht zu Hause ist, wenn die Pakete kommen. Sonst zahlt man zweimal.
Da diese Pakete letztlich aber schon eine recht kostspielige und
arbeitsintensive Lösung waren, habe ich mir irgendwann doch mal die Mühe
gemacht und einiges von dem Speisekammergerümpel aussortiert, es vor das Haus
auf den Bürgersteig geschafft und ein Schild davor gestellt: «Wer etwas davon
brauchen kann, der darf es sich nehmen.» Und da hat sich Herr Carl zum Beispiel
so eine kleine, schöne Muschelschachtel mit irgendwelchem Krimskrams darin
genommen. Vielleicht, weil er sie hübsch fand, vielleicht, weil er dachte: «Ach
Gott, so eine kleine, bunte Muschelschachtel, so etwas hast du ja noch gar
nicht, wer weiß, wenn du sonst mal nichts zum Beschimpfen hast, dann kannste ja
diese kleine, bunte Muschelschachtel beschimpfen.» Was weiß ich, was er sich
dabei gedacht hat. Den Krimskrams habe ich zum Teil absichtlich in die Schachtel
getan. Irgendwelcher Klein- und Kleinstmüll: Murmeln, Knöpfe, Schrauben, Muttern,
Nägel, alte Schlüssel, sinnlose Münzen, Schnur, Nadeln, Kronkorken. Zeug eben.
Lauter Kleinzeug, was immer überall rumliegt, wo niemand weiß, wo das
eigentlich herkommt. Herr Carl allerdings guckt sich diesen Müll genauer an,
auch diese alten Schlüssel, und nur aus so einem Gefühl heraus, so wird er
später sagen, also nur aus so einem Gefühl heraus probiert er sie aus, und
siehe da: Zwei der Schlüssel passen dann doch in die Schlösser der
Fahrradskelette im Hof.
    Da ist der
Herr Carl schon ziemlich wütend geworden. Speziell auf mich, und ich war auch
total überrascht und sauer. Das muss man sich mal vorstellen! Da klaut mir
offensichtlich jemand diese Schlösser, nur um damit fremde, untote
Fahrradskelette in unserem Innenhof anzuschließen, und schiebt mir hinterher
auch noch die Schlüssel wieder unter. Also wie viel kriminelle Energie muss
denn jemand haben? Doch Herr Carl glaubt mir natürlich kein Wort und steht nun
jeden Morgen
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