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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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Mache
ohnehin gerade nichts.»
    Denke, für
das, was dieser Mann allein während des Einsteigens in einen Zug macht,
brauche ich ungefähr anderthalb Wochen.
    Schaue
fasziniert dabei zu, wie er jetzt gleichzeitig isst, tippt, liest, trinkt,
etwas auf seinem iPod hört und, wie gerade erwähnt, ganz nebenbei auch noch
nichts tut. Um nicht völlig abzustinken, schaue ich ebenfalls mal auf mein
Handy. Ach guck, zwölf SMS. Das ist ungewöhnlich. Bin ein bisschen stolz. Sage
möglichst lässig in Richtung des Mannes: «Hui, da hab ich ja schon wieder zwölf
SMS bekommen. Die Leute, die Leute, da guckt man dreißig Minuten nicht aufs
Handy, zack! sind wieder zwölf SMS da. Aber so ist das nun mal.»
    Vom Mann
kommt keine Reaktion, er tut, als würde er mich gar nicht hören. Na, ist
wahrscheinlich neidisch auf meine zwölf Kurzmitteilungen.
    Die sind
allerdings sehr verwirrend. Sie reichen von «Was soll der Quatsch?» über
«Iiiiihh, ist das eklig!» bis zu «Boah, siehst du scheiße aus!» und «Wer hat
denn die Fotos gemacht?». Seltsam, und wann habe ich überhaupt mein Handy auf
lautlos gestellt?
    Bekomme
ein mulmiges Gefühl. Schaue in den Gesendet-Ordner. Na toll, der Jugendliche
hat mich offensichtlich mit meinem Handy beim Schnarchen fotografiert. Mit offenem
Mund und Zunge draußen und Schlabbern inklusive. Uääääwwwhh, nicht so schön.
Dann hat er die Fotos offensichtlich an möglichst viele Nummern aus meinem
Handyadressbuch geschickt. Da kommt noch eine SMS. Von Micha. «Super Fotos,
Horst, voll eklig, coole Sache, hab sie gleich an alle meine Nummern
weitergeschickt und auf Facebook gepostet. lg Micha.» Ach wie wunderbar, denke,
du mich auch lg. Mittlerweile tippt und tickert und klappert es im Waggon richtig
heftig. Stimmt, zwischen Mannheim und Frankfurt gibt es im ICE neuerdings ein
funktionierendes WLAN. Praktisch jeder hat jetzt einen Laptop vor sich und
klackert vor sich hin. Na, da kann ich mir ja mal auf Facebook die Bescherung
anschauen.
    Sehe
schnell, dass Micha ganze Arbeit geleistet hat. Er hat das auch noch vergrößert
und die Zunge eingefärbt. Warum macht er das, und wieso grün? Rufe Micha an, er
soll den Quatsch löschen. Kriege nur seine Mailbox, will schon wieder
auflegen, als irgendetwas in mir befiehlt, ich solle laut in mein Handy
sprechen. Rede also ganz laut sinnloses Zeug wie: «Hallo, Micha, ja, ich sitze
noch im Zug. Stell dir vor, mittlerweile kann man hier sogar während der Fahrt
ins Netz. Ich fahre mit über zweihundert Stundenkilometern und bin im Internet.
Kann ich gleichzeitig. Und nebenbei telefoniere ich noch. Wahnsinn, was? Und
das Tollste, über dieses Zug-WLAN kann man sich auch ganz einfach in die
Computer der anderen reinhacken. Ich habe praktisch vollen Zugriff auf alle
Computer hier im Zug!» Das Klackern verstummt. Einige klappen ihren Laptop zu,
alle starren mich an. Zehn Sekunden herrscht völlige Stille. Überlege, wie
viele Millionen Bruttosozialprodukt dieser kleine Scherz das Land jetzt wohl
kostet. Dann rufe ich: «War nur ein Scherz! Hier, ist nur 'ne Mailbox, nur ein
Scherz! Haha! Ich bin Spaßmacher, ich wollte nur mal gucken, was passiert,
wenn ich so was sage.» Ein paar lächeln gequält. Die meisten widmen sich wieder
ihrem Computer. Zwei Männer aber packen ihr Gerät weg. Sie trauen mir wohl
nicht.
    Der Mann
an meinem Tisch nimmt sein Handy und telefoniert. Er ruft: «Ey, du glaubst es
nicht, aber das Bild, das du mir gerade geschickt hast. Von dem sabbernden,
schnarchenden Mann im Zug. Der sitzt mir gegenüber, grad hat der schon wieder
einen Superscherz gemacht!» Und in der Werbung sagen sie, demnächst wollen sie
die Leitungen und alles noch viel schneller machen. Wahnsinn.
     
    Das Haus in Brandenburg
     
    Micha will
sich ein Haus kaufen. In Brandenburg. Micha, der schon seit Jahren und bislang
noch ohne greifbares Ergebnis überlegt, ob er sich mal eine eigene Blumenvase
kaufen sollte, ist plötzlich fest entschlossen, ein Haus zu kaufen. In
Brandenburg. Für die Familie. Das ist eine großartige Idee. Findet Micha. So
großartig, dass er einige entscheidende und elementare Fragen, die sich so
rund um einen Hauskauf auftun, noch gar nicht so richtig bedacht hat. Fragen
wie:
    - Warum?
    Micha
starrt mich fassungslos an.
    -     Wie warum? Ich präzisiere:
    -     Warum willst du das Haus kaufen?
    -     Na, weil das total billig ist.
    -     Wie billig?
    -     Na, billig eben, jetzt gerade auch
im Vergleich.
    -     Im
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