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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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Gewerbe anmelden. Von den Gewinnen kaufe ich
mir dann vielleicht ein Haus in Brandenburg.
     
    Gepresste Lebensqualität
     
    Ich habe
eine elektrische Saftpresse zum Geburtstag geschenkt bekommen.
    Dies hier
nur mal so einleitend, damit niemand denkt, mir würde immer nur die Sonne aus
dem Hintern scheinen. Mir passieren auch schlimme Sachen. Zum Beispiel habe ich
eine elektrische Saftpresse zum Geburtstag bekommen. Wenn man erst einmal so
weit ist, dass die Menschen es einem nicht mehr zutrauen, das Obst roh, am
Stück beißen zu können, sondern einem elektrische Saftpressen schenken, dann
weiß man, was die Stunde geschlagen hat. Mit dem Obst fängt es an, aber bald
schon wird dir diese Maschine vermutlich auch das Mittag- und Abendessen
pürieren. Das ist der Lauf der Welt. Mit Brei beginnen wir, mit Brei enden wir.
Die Klammer des Lebens, letztlich ist sie das Püree. Aber am Ende sind wir
natürlich froh, dass wir das Püree haben. Die Welt ist sonst schon hart genug.
Und ungerecht. Das wusste ich allerdings bereits, bevor ich eine elektrische
Saftpresse zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Von den Eltern der Freundin.
Weil ich doch mit dem Rauchen aufgehört habe, schreiben sie, da würde ich mir
doch sicher gerne mal öfter einen frischen Saft machen ... Großartige Logik.
Jetzt, wo ich nicht mehr rauche, habe ich ja praktisch den ganzen Tag nichts
mehr zu tun. So als pensionierter Raucher muss man sich ja erst mal wieder
neue Aufgabenfelder suchen. Und wie ließe sich so eine innere Leere besser
füllen als mit Saft? Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. In nur zehn
Sekunden, steht auf dem Karton, in nur zehn Sekunden macht mir diese Maschine
einen frischen, vitaminreichen, gesunden und leckeren Saft. Das sei so
praktisch.
    Zehn
Sekunden? Zehn Sekunden dauert es ungefähr, wenn ich mir an einem der vielen
Stände in Berlin einen fertigen, frischgepressten Frucht- oder Gemüsesaft
kaufe. Das ist praktisch. Wenn ich diesen Saft mit der Maschine machen will,
muss ich erst das Obst kaufen, es nach Hause tragen, waschen, schälen,
zuschneiden, die Maschine aufbauen, zehn Sekunden Saft pressen und hinterher
das Ding ewig wieder reinigen. Ich wäre ungefähr einen halben Tag beschäftigt.
Das ist nicht praktisch.
    Damit sich
diese Saftpresse lohnt, müsste ich in die Großproduktion wechseln. Immer
gleich mehrere Hektoliter Saft herstellen. Dann würde es sich vom Aufwand her
vielleicht rechnen. Aber so viel kann ich doch gar nicht trinken. Was mache ich
dann mit dem ganzen überschüssigen Saft? Ihn in Plastiktüten heimlich nachts
illegal über die Grenze nach Liechtenstein schaffen? Als stille Altersvorsorge?
Das führt doch zu nichts.
    Obwohl ich
eine Altersvorsorge nun natürlich brauche, und zwar eine richtig gute, denn ich
habe ja mit dem Rauchen aufgehört. Da lohnt sich jetzt eine Altersvorsorge.
Anfangs war ich ja gar nicht sicher, ob es eine kluge Entscheidung ist, mit dem
Rauchen aufzuhören. Diese ganze Welt der Nichtraucher, ich wusste wirklich
nicht, ob ich da reinpasse, ob das überhaupt was für mich ist. Man weiß ja so
wenig über die Nichtraucher, wie die so leben, was die den ganzen Tag über
machen, ob die es auch manchmal schön haben. Ich war da eher skeptisch. Doch
jetzt, wo ich schon seit mehr als einem Jahr nicht mehr rauche, kann ich guten
Gewissens sagen, es hat nicht nur Nachteile, das Nichtrauchen. Einer der
wesentlichen Gründe beispielsweise, derentwegen ich immer überzeugt war, ich
müsse rauchen, war, weil ich dachte, ich könne mich mit Zigarette viel besser
konzentrieren. Eigentlich könne ich mich nur mit Zigarette konzentrieren.
Denn die Zigarette hilft mir total, die Gedanken zu fokussieren, zu ordnen und
so weiter. Daher war es für mich sehr überraschend zu bemerken, dass ich, seit
ich nicht mehr rauche, eine völlig andere, viel größere Klarheit in meinen Gedanken
habe. Dort, wo vorher immer so ein Riesenwust war, wo ich an tausend Sachen
gleichzeitig gedacht habe und permanent Angst hatte, ich könnte etwas
vergessen, da habe ich mittlerweile nur noch einen ganz einfachen, ganz klaren
Gedanken. Eben den Gedanken:
    «Ich würde
gern rauchen!»
    Und das
ist wirklich entspannend, also nicht mehr an tausend Sachen gleichzeitig
denken zu müssen, sondern nur noch diesen einen, einzigen Gedanken zu haben,
und auch nie die Angst haben zu müssen, ich könnte den vergessen. Nein, den
vergisst man nicht. Der ist immer da. Jeden Tag, immer wieder, ganz treu, und
er
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