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Evers, Horst

Evers, Horst

Titel: Evers, Horst
Autoren: Fuer Eile habe ich keine Zeit
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fragen, ob ich einsam bin oder ob ich meinen Traumpartner in
meiner näheren Umgebung finden will. Ab und an sind diese Pop-ups auch noch
sehr, sehr viel direkter, aufdringlicher und indiskreter. So etwas hätte meine
Mutter niemals in dieser Form angesprochen, und dafür bin ich ihr dankbar.
Google mag ja an der Börse oder als gigantische Internet- und Wirtschaftsmacht
der große Larry sein, aber die Klasse, das Format einer richtigen Mutter, das
erreicht es eben doch nie. Familientechnisch gesehen, ist Google eher so was
wie der große, etwas nervige Klugscheißer-Bruder. Nur dass Google einen nicht
auch noch verkloppt. Also zumindest bislang nicht. Das Kind kommt in die Küche.
Sie fragt, ob ich immer noch nicht den Teig angerührt habe. Ich murmle: «Weiß
nicht, nee, glaube nicht, weiß gerade das Verhältnis der Zutaten nicht.» Sie
lacht, schüttet die Sachen zusammen, rührt um und sagt: «So, der muss jetzt
noch zwanzig Minuten ziehen.» Gibt mir dann einen Kuss und geht wieder raus. Na
prima, bis vor drei Jahren wusste meine Mutter immer alles, demnächst kann ich
wohl meine Tochter fragen. Nur für die paar Jahre dazwischen brauchen Männer
eigentlich Google. Früher, als es Google noch nicht gab, waren sie in der Zeit
zwischen Mutter und eigenen Kindern eben einfach mal ein paar Jahre lang doof. Ging
auch. Man kann nicht alles wissen. Soll man auch gar nicht. Es muss immer noch
Geheimnisse, Unklarheiten, offene Fragen geben, sonst verlöre unsere Existenz
ihren Sinn. Die Frage etwa, ob es Gott jetzt gibt oder nicht, wird Google
niemals beantworten können. Schon aus marktwirtschaftlichen Gründen könnte es
sich Google niemals leisten, sich in der Gottesfrage festzulegen, weil sie dann
womöglich eine oder mehrere Weltreligionen verärgern würden. Aber auch aus
logischen Gründen kann es keine Antwort geben. Denn wenn es Gott wirklich gibt,
wird der natürlich um jeden Preis verhindern, dass jemand seine Existenz
nachweisen kann, was wiederum heißt: Wenn jemand hieb- und stichfest beweist,
dass es Gott gibt, bedeutet dies, dass es keinen Gott gibt, weil ja Gott, wenn
es ihn denn gäbe, den Beweis seiner Existenz verhindert hätte. Deshalb gibt es
ja auch keine seriösen Gottesbeweise, sondern nur Gottesindizien. Hierzu ein
Beispiel: Mein alter Geschichtslehrer hat auf Fragen, die er nicht beantworten
konnte, immer gesagt: «Fragt mich das nochmal, wenn ich es gerade weiß.» Klingt
verschroben, aber ich verstehe heute genau, was er damit gemeint hat. Man hat
Phasen, da weiß man irgendwie total viel, und dann aber auch Phasen, da weiß
man eher wenig bis sehr, sehr wenig. Einfach so. Diese Phasen können innerhalb
nur eines Tages plötzlich und mehrfach wechseln. Immer wieder, hin und her. Wer
Glück hat, macht in den Phasen, wo er gerade sehr, sehr wenig weiß, etwas
Sinnloses, wie zum Beispiel Staubputzen oder sich beim Mobilfunkanbieter
beschweren. Wer Pech hat, ist in den Phasen, wo er gerade sehr viel weiß,
praktisch immer am Schlafen. Dieses Phänomen kenne ich gut.
    Und wenn
man sehr, sehr, sehr viel Glück hat, dann kann man vielleicht auch einmal die
ganz seltenen Phasen erreichen, in denen man alles weiß. Komplett alles.
Früher, nachts an Kneipentischen, habe ich diese Phasen tatsächlich manchmal
mit Freunden erreicht. Irgendwann, nach vielen Stunden, wussten wir auf einmal
alles. Absolut alles. Doch am nächsten Morgen war alles wieder weg. Keiner
konnte sich mehr erinnern. Sehr mysteriös. Beim nächsten Mal waren wir
schlauer. Da haben wir, als wir plötzlich wieder alles, aber absolut alles
wussten, alle zusammen alles auf Band gesprochen. Aber am nächsten Morgen war
auf diesem Band nur noch wirres, sinnloses Gelalle. So. Und jetzt frage ich:
Was muss das für eine große, ungeheure Macht sein, die so etwas bewerkstelligen
kann? Und sich vor allem auch die Mühe macht, unser aufs Band gesprochenes
Wissen durch sinnloses Gelalle zu ersetzen? Als Indiz finde ich das ziemlich
stark, aber googeln kann man das natürlich nicht.
     
    Das Wunder der Schale
     
    In unserer
Küche steht eine ziemlich große, massive Steingutobstschale. Sie heißt Pirmin.
Diese Schale, also Pirmin, ist leider ein bisschen hässlich, dafür aber sehr,
sehr schwer. Ich werde nie vergessen, wie Pirmin zu ihrem Namen gekommen ist,
und auch nicht, wie sie in unseren Haushalt gelangt ist. Angefangen hat die
ganze Geschichte in Grassau, einer kleinen Stadt in Bayern, nach einem
Auftritt. Eigentlich, sagte der
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