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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen
Autoren: Christina Seidenberg
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bedrängte mich nicht und half mir nicht weiter, wenn die Worte nicht so fließen wollten.
     
    Früher hatte ich mir oft vorgestellt, dass sie meine Mutter war. Unsere kümmerte sich selten um meinen Bruder und mich und wenn sie mal zu Hause war, lag sie betrunken auf dem Sofa und schlief ihren Rausch aus. Mein Bruder Sam übernahm meine Erziehung, schleppte mich deshalb immer dorthin, wohin er ging und so verbrachten wir die meisten Nachmittage und Ferien bei Nates Familie.
    Charlotte gab mir das G efühl einer heilen Familie und so hatte ich nach meinem furchtbar peinlichen Auftritt vor Nate am See das Gefühl, sie maßlos enttäuscht zu haben.
     
    Ich war mir nicht sicher, was und vor allem wie viel Nate seiner Familie erzählt hatte, doch ich hoffte und nahm an, dass er sich in Schweigen gehüllt hatte und war ihm sehr dankbar dafür.
    Denn Charlotte hatte keinerlei Vorurteile gegen mich und behandelte mich, als wären die letzten sieben Jahre nicht geschehen.
    Und so sagte sie schließlich: „Am besten packen wir dir ein paar Sachen ein und dann fahren wir nach Hause!“
    Ich sah sie sprachlos an, dann lachte sie.
    Ein Seufzen entglitt meiner Kehle. Wie hatte ich dieses glockenhelle und unsagbar freundliche Lachen vermisst.
     
    „Hast du geglaubt, du bleibst allein hier?“ fragte sie mich kopfschüttelnd, als sie aufstand und in mein Schlafzimmer ging. Vorsichtig stand ich auf und folgte ich ihr. Ich sah, wie sie meinen Kleiderschrank öffnete und die Fächer nach geeigneter Kleidung durchsuchte.
    „Nate meinte, du wärst die nächste Woche krank geschrieben!“ Sie holte einen kleinen Koffer vom Schrank und klappte ihn auf. Dann begann sie einige meiner T-Shirts, Hosen, Pullover und Unterwäsche einzupacken.
    Ich hielt sie schließlich auf.
    „Charlotte! Es g-geht mir gut. Ich werde hierbleiben. Ich … m-möchte euch keine Umstände machen!“ sagte ich leicht stotternd.
    Sie drehte sich um und zeigte mir ihr „Du-hast-gar-keine-andere-Wahl“-Gesicht, eine Augenbraue hochgezogen und ein spöttisches Wissen um die Lippen.
    „Greta, du wurdest überfallen und in der nächsten Zeit wird es dir sicher noch nicht allzu leicht fallen , dein Leben wieder aufzunehmen. Es ist das einfachste, wenn du zu uns kommst. Frank und ich werden uns freuen, wenn das Haus wieder etwas belebter wird!“ sagte sie und fügte mit einem Augenzwinkern noch hinzu. „Jetzt haben wir dich wieder und werden dich nicht mehr gehen lassen!“
    Ich fügte mich meinem Schicksal, denn ich wusste, dass man mit Charlotte Mc’Cormick nicht streiten konnte, ohne einen derben Rückschlag zu erleiden. Sie war eine Meisterin ihres Fachs und hatte ihre vier Kinder immer sehr gut unter Kontrolle gehabt.
    Ich setzte mich auf mein Bett und wartete geduldig darauf, dass sie meine Sachen zusammengepackt hatte.
    Mein Blick glitt unsicher zu der kleinen Kommode neben der Tür. Sie war weiß, aber bunte Zootiere stolzierten von der rechten oberen Schublade, zu der linken Seite. Ich wusste nicht, wie Charlotte reagieren würde, wenn ich es ihr sagte, doch ich wusste, dass ich nicht mehr lange schweigen konnte. Sie musste es wissen. Immerhin…es gab nichts Wichtigeres mehr in meinem Leben.
     
    Ich verspürte leichte Angst, als Charlotte die Tasche schloss und mit ihr zur Wohnungstür ging. Nur langsam, fast widerwillig folgte ich ihr. Es schien, als würde mein Körper versuchen ihr möglichst langsam zu folgen, um den Zeitpunkt, da ich es ihr sagen würde, herauszuziehen. Als wir meine Wohnung verließen und sie die Tür hinter uns schloss, sah ich sie entschuldigend an. Ich spielte nervös mit dem Reißverschluss meiner Jacke und senkte den Blick, denn ich konnte ihr nicht in die Augen sehen.
    „Charlotte, du s-sollst etwas w-wissen!“ Ich stotterte unsicher herum. „Wir müssen noch … jemanden abholen!“
     
     
     

Kapitel 3
     
     
    Nate fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er war unruhig und unkonzentriert. Seitdem er sie heute Morgen, friedlich schlafend, in ihrem Bett zurückgelassen hatte, konnte er nicht mehr aufhören, an sie zu denken. Er schüttelte den Kopf. Nein, eigentlich hatten seine Gedanken seit ihrem Anruf in der Früh um sie gekreist.
    Er widmete sich wieder der Akte, die seine Sekretärin ihn auf den Schreibtisch gelegt hatte und begann zum wiederholten Male den Satz zu lesen, den er bereits begonnen hatte.
     
    Erneut spukte ihm nur ein Name vor den Augen herum: Greta.
     
    Er wusste nicht, warum ihn das so
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