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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen
Autoren: Christina Seidenberg
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Flecken und Prellungen an meinem Körper konnte ich mehr als deutlich spüren.
     
    Der erste Schlag in mein Gesicht hatte mich überrascht und in die Knie gezwungen. Sie wollten meine Handtasche, mein Geld, haben und wie in treuloser Panik hielt ich meine Tasche fest umklammert. Hätte ich sie ihnen bloß gegeben. Ich besaß nicht viel, aber mein Leben war mir das Wichtigste. Alles andere konnte ersetzt werden, doch wenn ich gestorben wäre, was wäre aus…
    Ich schluckte und schüttelte den Kopf. Diesen Gedanken durfte ich nicht denken. Es war einfach zu viel.
     
    Der eine Angreifer zog ein Messer und jeder Gedanke schaltete sich bei mir aus. Ich hatte Angst und dieses Gefühl lähmte meinen gesamten Körper. Abwehrend hob ich die Hand, wollte mich schützen und spürte bereits den scharfen Schnitt an meiner Hand. Er stach mehrmals zu, traf zum Glück jedoch nur meine Hand und meinen Arm. Warmes Blut lief aus den Wunden, sickerte in meine Jacke und endlich ließ ich meine Tasche los. Ein Tritt in meine Rippen raubte mir die Luft und ließ Sterne vor meinen Augen tanzen. Ich hörte eine Frau kreischen, ehe ich zu Boden sank, erneut von Schmerzen geschüttelt wurde und schließlich die Augen schloss. Übelkeit stieg mir bitter auf und es schien, als würde sich die Welt um mich herum drehen. Als ich wieder zu mir kam, standen mehrere Menschen um mich herum. Jemand hatte bereits den Krankenwagen gerufen und mit quietschenden Reifen, hielt das rot-weiße Ungetüm am Straßenrand.
    Ich wollte ihnen sagen, dass es mir gut ging, doch die Worte, die aus meinem Mund kamen, schienen sie nicht zu beruhigen. Mir war nur etwas schwummerig, doch die beiden Sanitäter schienen mich nicht zu hören oder hören zu wollen. Ich konnte mich nicht dagegen wehren, dass ich ins Krankenhaus gebracht wurde, wo mir mitgeteilt wurde, dass mir außer einigen Prellungen und den Stichwunden an der Hand und am Handgelenk, die mit einigen Stichen genäht wurden, nichts fehlte – das hätte ich ihnen auch sagen können.
     
    Nur gehen lassen wollte man mich nicht allein. Es gab niemanden, der mich morgens um drei Uhr aus der Notaufnahme abholen wollte. Ich überlegte kurz, ob ich jemanden aus der Redaktion anrufen sollte, doch obwohl meine Arbeitskollegen sehr nett waren, blieben sie doch nur das – Kollegen. Ich hatte jemanden anrufen wollen, Beth, doch schmerzvoll erinnerte ich mich daran, dass ich sie nie wieder anrufen, nie wieder mit ihr lachen und weinen könnte und sie nie wieder sehen würde.
    In diesem schwachen Moment kam mir eine andere Telefonnummer in den Sinn und ich rief ihn an.
     
    Ich wusste, dass es ein Fehler gewesen war. Das letzte Mal, das wir uns gesehen hatten, war kurz nach Sams Beerdingung gewesen und diese lag bereits sieben Jahre zurück. Dennoch erinnerte ich mich nicht gern an die Unterhaltung zurück, die damit endete, dass ich ihn und seine gesamte Familie aus meinem Leben verbannte.
     
    Es war sieben Jahre zuvor gewesen, an einem warmen Sommerabend im Juli. Noch immer konnte ich die letzten Sonnenstrahlen auf meiner Haut spüren, als ich barfuss und nur mit einem Laken bekleidet aus dem kleinen Wochenendhaus auf den hölzernen Steg trat und zu Nate ging, der an seinem Ende saß und die Beine im kalten Wasser des Weymouth Great Pond baumeln ließ. Er trug nur Badeshorts, wir hatten einen wunderschönen Tag am See verbracht.
     
    Mein Bruder Sam und er waren seit der Schulzeit beste Freunde gewesen, doch nie hatte Nate mich anders behandelt als eine kleine Schwester. Ich hingegen himmelte ihn an. Seit Jahren schon war ich heimlich in ihn verliebt gewesen und nun, an diesem Julitag sollten meine Wünsche in Erfüllung gehen.
    Es war wenige Monate nach dem Tod meines Bruders und Nate wusste, wie viel mir Sam bedeutet hatte und wie sehr ich ihn vermisste. Er hatte mich eingeladen das Wochenende am See zu verbringen, so wie wir es oft mit meinem Bruder und Nates Geschwistern getan hatten, doch diesmal war niemand außer uns hier.
    Es schien, als wäre das das Zeichen, auf das ich gewartet hatte. Ich nahm all meinen Mut zusammen, denn ich glaubte, auch er würde ebenso für mich empfinden. Das einsame Ferienhaus wäre der geeignete Ort ihm zu zeigen, wie gut wir zueinander passten.
     
    Als ich barfuss die Holzplanken entlangging, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Ich war mir unsicher; das war ich bereits gewesen, als ich meine Kleidung im Ferienhaus gelassen und mir die Decke umgehängt hatte, doch nun
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