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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen
Autoren: Christina Seidenberg
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war es zu spät. Ich lächelte vorsichtig, wollte begehrenswert und sexy für ihn sein. Er hatte die Schritte meiner nackten Füße auf dem Holzsteg gehört und wollte sich umdrehen, doch ich kniete mich hinter ihn und presste meinen nackten Körper an seinen.
     
    In meiner Fantasie wäre dies der schönste Tag meines Lebens gewesen. Ich hatte mir ausgemalt, wie er sich strahlend zu mir umgedreht hätte. Zunächst hätte sich Überraschung, dann jedoch grenzenlose Begierde und Liebe in seinen Augen gezeigt, ehe er mich wortlos in seine Arme geschlossen und meinen Mund mit einem nicht enden wollenden Kuss verschlossen hätte. Er hätte mich sanft und einfühlsam auf dem Steg unter der sinkenden Sommersonne geliebt, mir ins Ohr geflüstert, wie sehr er mich begehrte und verehrte. Warmer Sommerwind wäre über unsere nackten Körper gestrichen und im funkelnden Schein der Sterne über uns hätte er mir später seine unendliche Liebe gestanden und wir wären für alle Zeit zusammen geblieben.
     
    Aber die Wirklichkeit sah nie so rosig aus, wie in einem schmalzigen Happy-End-Film aus Hollywood. Oder wie meine Fantasie.
    Im Nachhinein wollte ich mir einreden, dass ich zu dieser Zeit noch ein unreifes, dummes Kind gewesen war, das sich in seinen Träumen verfing. Ich war erwachsen, 18 Jahre alt. Ich wollte mir einreden, dass der Tod meines Bruders vor wenigen Monaten mein Leben so erschüttert hatte, dass ich nicht mehr zurechnungsfähig gewesen wäre, doch tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich keine Ausreden finden konnte.
     
    Wie ein eiskalter Schnitt mit einem Messer war ich aus meinen Träumereien gerissen worden. Nate hatte sich zu mir umgedreht, doch nicht Begierde war ihm ins Gesicht geschrieben, sondern Entsetzen. Er sprang auf, riss die Decke, die ich auf den Steg gleiten gelassen hatte, auf und wickelte mich darin ein, ohne einen wirklichen Blick auf meinen nackten, weiblichen Körper zu richten. Ich war so überrascht über diese Art seiner Reaktion, dass ich sprachlos vor ihm stand, während er um Worte rang.
    In meiner Ungläubigkeit bekam ich so etwas wie „du bist ein liebes Mädchen!“ und „du bist wirklich sehr nett!“ nur durch einen Schleier mit. Ich registrierte noch seinen letzten Satz.
    „Greta, du bist Sams kleine Schwester und du wirst für mich immer zur Familie gehören, deshalb musst du verstehen, dass niemals etwas….“
    Niemals! Das Wort hämmerte sich in meinen Schädel und raubte mir jedes Glück. Wie vor den Kopf gestoßen, wich ich vor ihm zurück und floh von dem Steg. Es schien, als wäre das Wetter ein Spiegel meiner inneren Gefühle, denn ein Wind war aufgekommen und zerrte an dem Laken, das ich krampfhaft festhielt, um meinen nackten Körper zu schützen. Noch nie in meinem Leben war ich so gedemütigt worden. Ich fühlte mich furchtbar beschmutzt und vollkommen leer. Scham brannte auf meinen feuerroten Wangen, während ich mir so schnell es ging meine Kleidung in dem kleinen Ferienhaus anzog. Ich wollte die Zeit zurückdrehen und diese Tat ungeschehen machen. Ich wollte aus diesem Alptraum erwachen, noch einmal alles richtig machen, doch was geschehen war, konnte ich nicht mehr ändern.
    Nate kam mir kurze Zeit später nach und wollte mit mir reden, doch nur ein einziger Satz, den letzten Satz, den ich mit ihm sprach, kam über meine Lippen.
    „F -fahr mich nach Hause!“
     
    Er tat worum ich ihn bat. Die Fahrt zurück nach Boston verlief schweigend und als er schließlich vor dem Hochhaus hielt, in dem ich wohnte, stieg ich wortlos aus und betrat den Flur, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich wünschte mir so sehr, dass er mich zurückhielt, dass er aus seinem Auto aussteigen und zu mir kommen würde, doch nichts geschah und als ich endlich die Wohnungstür aufschloss und in meine eigenen vier Wände zurückkehrte, wusste ich dass ich nicht nur einen guten Freund, sondern meinen besten und engsten Vertrauten verloren hatte. Haltlos glitt ich an der geschlossenen Wohnungstür zu Boden und begann hemmungslos zu weinen.
    An diesem Tag hatte ich meine Hoffnung verloren.
     
    Die Anrufe und Nachrichten, die Nate mir nach meinem mehr als peinlichen Auftritt am Ferienhaus, hinterließ, blieben unbeanwortet. Ich rief ihn nicht zurück und versuchte ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Ich begann meine Arbeit bei einer kleinen Redaktion für eine weniger bekannte Frauenzeitschrift und als mir nach einem Jahr die Möglichkeit gegeben wurde, meine Chefin bei einer
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