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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen
Autoren: Christina Seidenberg
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Kapitel 1
     
     
    „Mc’Cormick!“
     
    Die verschlafene, ein wenig unwirsch klingende Stimme am anderen Ende des Telefons hätte ich unter Tausenden wieder erkannt, obwohl ich sie seit Jahren nicht gehört hatte.
    „Hallo Nate“, begrüßte ich ihn leise mit seinem Spitznamen. „Hier ist G-greta, Marg-greta Thomson!“ Ich spürte das leichte Zittern in meiner Stimme, das mich immer erreichte, wenn ich aufgeregt war. „Ich b-brauche deine Hilfe!“
    „Greta!“ Ich hörte, wie etwas raschelte. Es schien, als würde er aus seinem Bett aufstehen. Im Hintergrund hörte ich jemanden, eine Frauenstimme flüstern. Er erwiderte etwas, dann schien er sich von ihr zu entfernen und schloss eine Tür.
    War er gerade, als ich angerufen hatte, noch mürrisch gewesen, so schien er nun vollends konzentriert zu sein. „Wo bist du? Was ist geschehen?“
    Ich schloss kurz die Augen, wollte nicht daran denken, was mich in diese Situation gebracht hatte. Zu präsent waren die vergangenen Stunden, die ich einfach nur aus meinem Kopf drängen wollte und wünschte mir zum wiederholten Male, dass dieser Abend niemals stattgefunden hätte.
    Warum nur mussten mich meine Kollegen solange überreden, bis ich mit ihnen gekommen war? Ich ging doch auch sonst nicht aus.
     
    „Im K-krankenhaus!“ Die Worte stolperten über meine Lippen und ich war dankbar, dass man mir bei diesem Gespräch in einem der Untersuchungsräume ein wenig Privatsphäre gelassen hatte. Ich hasste es zu telefonieren.
     
    „Ich komme!“ sagte er nur, nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, dass ich mich im General Hospital befand.
    Mit fahrigen Fingern hängte ich das Telefon auf und ging zurück zu der unbequemen Liege aus rostfreien Edelstahl. Meine Zähne knirschten, so stark presste ich sie aufeinander. Die Schmerzen waren beim Gehen trotz der Schmerzmittel kaum auszuhalten. Eine Schwester kam hastig vorbei, blieb dann jedoch in der offenen Tür stehen und sah mich mit fragendem Blick an.
    „Wird Sie jemand abholen, Miss Thomson?“ fragte sie freundlich, denn mit ihr hatte ich vor wenigen Minuten eine Diskussion durchgestanden, bei der sie sich zu meinem Leidwesen durchgesetzt hatte. Ich wäre am liebsten aus diesem Krankenhaus geflohen ohne jemanden zu sehen, doch sie ließ mich nicht alleine gehen. So blieb mir nichts anderes übrig als jemanden anzurufen, der mich abholen würde.
    Ich nickte schweigend. Dies schien ihr als Antwort zu reichen, denn sie wandte sich bereits zum Gehen und verschwand im Gewühl der nächtlichen Notaufnahme.
    Nichts deutete darauf hin, dass es kurz nach drei Uhr morgens war. Notfallpatienten wurden auf Bahren den Gang entlang geschoben. Irgendwo weinte ein Kind nach seiner Mutter. Die Schwestern passten sich dem hastigen Geschehen an und schienen wie ferngesteuert hindurchzugleiten. Die Ärzte hetzten von einem Patienten zum nächsten und schienen ihre Augen kaum von den ihnen gereichten Mappen zu heben, um sich ihre Notfälle anzusehen. Einige Polizisten standen an der Aufnahme oder warteten mit einem dampfenden Becher Kaffee in der Hand, nur um Neuigkeiten über verwundete Kollegen oder eingelieferte Verbrecher zu erhalten.
     
    Vorsichtig setzte ich mich auf die Liege und sah zu Boden. Sterilität, wie sie im Krankenhaus üblich war. Der Geruch nach Desinfektionsmittel stieg mir in die Nase.
    Irgendwo krachte es, Metall fiel zu Boden und jemand schrie. Es war mehr aus Wut, a ls aus Schmerz, doch in meinem Kopf hörten sich diese Geräusche tausendmal schlimmer an. Eiskaltes Entsetzen durchzuckte mich und hinterließ eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich krallte die Finger der rechten Hand in den Krankenhauskittel und versuchte ruhig zu atmen, um die Übelkeit zu unterdrücken, die versuchte meine Speiseröhre hinaufzukriechen.
    Mein gesamter Körper schmerzte und ich wusste, dass ich genauso aussah, wie ich mich fühlte. Die hämmernden Kopfschmerzen waren nach den starken Schmerzmitteln einem dumpfen Pochen gewichen, doch ich sehnte mich nach meinem Bett, wollte die Bettdecke über den Kopf ziehen und aus diesem Alptraum aufwachen. Meine linke Hand war durch einen dicken Verband geschützt, doch noch immer spürte ich den heißen Schmerz der Schnittwunden, die mit mehreren Stichen genäht werden mussten.
     
    Vorsichtig versuchte ich mich aus dem Untersuchungskittel zu schälen und zog mir mit vor Schmerz zusammen gebissenen Zähnen mein Shirt und meine Hose an. Ich sah nicht an mir hinab, denn die zahlreichen blauen
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