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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen
Autoren: Christina Seidenberg
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die 5 Meilen in etwa 20 Minuten hinter sich. Heute stand er mehrmals und wartete wie viele andere Menschen in ihren Autos darauf, dass sich der Stau auflöste. Er war unruhig, obwohl er keinen Grund dafür sah und trommelte nervös auf dem Lenkrad herum.
    Ein paar Mal kreuzte er mit seinem schwarzen Lexus die Nebenfahrbahn und nahm das unfreundliche Hupen seiner Mitmenschen in Kauf.
     
    Er war unsagbar genervt von der Autofahrt, als er endlich von der Beacon Street in die Amory Street einbog, in der seine Eltern wohnten und in der er und seine Geschwister ihre Kindheit verlebt hatten.
    Seinen Lexus parkte Nate hinter dem kleinen Sportwagen seiner älteren Schwester – was bedeutete, dass sie ohne die Familie gekommen war – und stieg aus. Er hatte, wie jeder seiner Geschwister, einen Schlüssel zum Haus und schloss die große Eingangstür auf.
    Sommerliche Kühle empfing ihn, doch es wirkte weder kalt noch unbewohnt. Er fühlte sich zurückversetzt in seine Kindheit, in der er mit seinem älteren Bruder am Geländer heruntergerutscht war oder – er erinnerte sich an seine rebellische Teenager-Phase – an die Abende, in denen er heimlich kurz vor Sonnenaufgang ins Haus geschlichen war. Er lächelte. Im Nachhinein wusste er, dass seine Mutter ihn immer gehört hatte und erleichtert gewesen war, dass er heil den Weg wieder nach Hause gefunden hatte.
     
    Er schloss die Tür hinter sich. Sein Eintreten hatte noch niemand bemerkt, doch er konnte schon in der Eingangshalle Stimmen aus dem Wohnzimmer hören und folgte ihnen.
    Die Tür war angelehnt und als er sie öffnete, sah er seine Mutter auf dem Sofa sitzen. Greta stand in der Mitte des Raumes und drehte ihm den Rücken zu. Zwei dunkle Augen mit langen, feinen Wimpern starrten ihn an, als er eintrat. Zunächst war der Blick unsicher, doch dann veränderte er sich. Ein kleiner Mund verzog sich zu einem süßen Lächeln. Der angebissene Butterkeks fiel aus den kleinen Händchen, als diese nach ihm ausgestreckt wurden.
    Als Greta das Geräusch seines Eintretens bemerkte, wandte sie sich um.
    Er starrte sie an.
     
    „Du hast ein …?“ Er war sprachlos.
    „Baby“, flüsterte seine Schwester, die in der Tür hinter ihn getreten war und drängte sich an ihm vorbei, um zu Greta zu gehen und das kleine Geschöpf in ihren Armen mit glänzenden Augen einer genauen Musterung zu unterziehen.
    Greta sah ihn an, doch die Regung in ihrem Gesicht war vielfältig – Verunsicherung, Freude und Scham?
     
     
     
     

Kapitel 4
     
     
    Ich konnte die Ungläubigkeit in seinem Blick erkennen, als er mich ansah und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.
    War er böse? Enttäuscht?
    Auf seiner Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet und sein Mund wirkte etwas verkniffen. Ich öffnete den Mund, doch unsicher, was ich ihm sagen sollte, schloss ich ihn wortlos wieder.
    Celia, mein kleiner Liebling, begann sich in meinen Armen zu winden und wollte heruntergesetzt werden. Ich tat ihr den Gefallen, denn in ihrem Alter war sie gerade in der Krabbelphase und nichts konnte sie stoppen. Froh seinem Blick zu entgehen, setzte ich sie auf dem dicken Teppich ab, der fast den halben Raum einnahm, doch Celia hatte schon immer ihren eigenen Kopf und kroch geradewegs auf Nate zu. Sie war zielstrebig und ich konnte nicht erkennen, wie Nate sich ihr gegenüber verhalten würde.
    Es kribbelte in meinen Fingern sie wieder hochzunehmen und mich so weit es ging von Nate zurückzuziehen, doch Ann, Nates ältere Schwester, nahm meine Hand und zog mich mit sich zu dem großen Sofa, auf dem bereits Charlotte Platz genommen hatte.
    Celia war derweil an Nates Füßen angekommen und zog sich mit erstaunlicher Kraft und Geschicklichkeit an seinen Beinen hoch, so dass sie zum Stehen kam.
     
    Ich musste lächeln. Sie hatte erst vor kurzem gelernt auf eigenen Beinen zu stehen und ich war erstaunt, wie schnell und sicher sie ihren Körper beherrschte. Noch störte der Babyspeck sie beim richtigen Gehen, doch mir wurde versichert, dass es nicht mehr lange dauerte und sie wäre auf flinken Füßen unterwegs. Ich übte jeden Tag mit ihr, stellte ihre Lieblingsspielsachen auf den Tisch, damit sie sich daran hochziehen musste und nahm sie an den Händen, damit sie mit meiner Hilfe ihre ersten Gehversuche unternehmen konnte.
    Es machte mich ein wenig traurig, dass sie so schnell groß wurde. Sie war gerade 15 Monate alt und ich wusste, dass ich durch meine Arbeit einfach viel zu wenig Zeit mit ihr verbringen
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