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Samuel Carver 01 - Target

Samuel Carver 01 - Target

Titel: Samuel Carver 01 - Target
Autoren: Tom Cain
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VORSPIEL
    Die Hitze lastete auf der Nachtluft, und leise Wellen leckten träge über den Kiesstrand.
    Auf dem Holzsteg war ein Wächter postiert, aber es war nach zehn, und kein Mond stand am Himmel über der Adria. Darum sah der Mann mit der AK-47 nicht, wie Samuel Carver unter der Wasseroberfläche heranschwamm, hörte ihn nicht auftauchen und nahm nicht wahr, dass Carver sich direkt unterhalb von ihm befand.
    Langsam und leise glitt Carver zum Strand hin, wo das Wasser flach war. Er zog Maske, Schwimmflossen und die Weste aus, an der sein Atemgerät befestigt war. Maske und Schwimmflossen klammerte er an die D-Ringe der Weste. Dann legte er die Sachen ins Wasser und ließ sie auf den Grund sinken.
    Carver hatte zwei wasserdichte Taschen um die Oberschenkel geschnallt. Aus einer nahm er ein aufgerolltes Paar Neoprenslipper, die er sich an die Füße zog. Dann verschloss er die Tasche wieder. Er wartete, bis der Hubschrauber zu hören war, ehe er sich zum Fuß der Leiter bewegte, die am hinteren Ende des Anlegers ins Wasser führte.
    Carver zählte auf typisch menschliche Eigenheiten. Sobald der Hubschrauber über ihnen war, würde der Mann nach oben schauen. Jeder täte das, besonders, wenn der Boss sich an Bord des Hubschraubers befand. Als die Rotorblätter zu ihrem klatschenden Crescendo übergingen, öffnete Carver die zweite Tasche und entnahm ihr eine gewöhnliche, tiermedizinische Betäubungspistole. Er ließ das Licht der Scheinwerfer über sich hinwegschweifen. Dann holte er tief Luft, packte die erste Sprosse und zog sich hinauf.
    Carver kam flach auf den Bohlen zu liegen und schaute zu dem Wächter, der nach wie vor zu der Bell 206 Jetranger hinaufsah, die vierhundert Meter entfernt auf der Stelle schwebte, um dann auf dem privaten Heliport der Villa zu landen. Der Rücken des Wächters gab ein perfektes Ziel für Carvers Betäubungspfeil ab. Carver spurtete ein paar Schritte und fing den Sturz des Mannes ab, sodass der Bewusstlose lautlos auf die Bohlen glitt. Carver zog den Pfeil heraus und warf ihn ins Wasser. Dann drang er auf das Grundstück vor, um sich für seine Aufgabe vorzubereiten.

    Samuel Carver löste sehr üble Unfälle aus, denen noch üblere Leute zum Opfer fielen. Sein gegenwärtiges Ziel war ein dreiundvierzig Jahre alter Mann albanischer Abstammung namens Skender Visar. Visars Geschäfte wurden offiziell als Menschenhandel bezeichnet, aber Carver zog eine traditionellere Berufsbezeichnung vor. Seiner Ansicht nach war der Albanier ein Sklavenhändler.
    Visar verschiffte Menschen als Containerladung aus China, Afrika und den ehemaligen kommunistischen Staaten Osteuropas. Die Männer schickte er als Vertragsarbeiter auf Felder und in Ausbeutungsbetriebe, wo sie Arbeit leisteten, die man im Westen als menschenunwürdig betrachtete. Er kaufte Frauen aus Familien, die so arm waren, dass sie die eigenen Kinder für Geld hergaben. Dann machte er sie durch Schläge gefügig, setzte sie auf Drogen und beutete sie in den Bordellen, Bars und Massagesalons aus, die er in Europa und den Vereinigten Staaten besaß. Nur wenige Sklaven lebten länger als zwei, drei Jahre, aber Visar störte das nicht. In dieser Zeit holten sie ihm die Kosten für den Erwerb, Transport und den erbärmlich mageren Unterhalt hundertfach wieder rein, und in ihren Herkunftsländern gab es noch Tausende von ihnen.
    Die Sklaverei war ein Wachstumszweig der Kriminalität; seine Profite reichten zunehmend an die aus dem Waffen- und Drogenhandel heran. In mancherlei Hinsicht war dieses Geschäftsmodell cleverer. Eine Pistole oder ein Gramm Kokain ließ sich nur einmal verkaufen. Eine Sexsklavin verkaufte man zehnmal pro Nacht. Aber leichtes Geld weckte auch harte Konkurrenz. Visar litt unter einem berufsbedingten Verfolgungswahn, hielt ständig nach Feinden Ausschau und war auf alles mögliche gefasst, was seine Position bedrohen könnte, egal ob real oder eingebildet.
    Er gönnte sich gerade einen Kurzurlaub auf seiner Sechzig-Meter-Jacht und kreuzte mit seiner Familie vor der dalmatinischen Küste, als er hörte, dass einer seiner engsten Mitarbeiter, Ergon Ali, versucht hatte, mit der Konkurrenz ins Geschäft zu kommen. Die Information war falsch, absichtlich untergeschoben, aber sie hatte den gewünschten Effekt.
    Visar schickte vier Mann nach Berlin in den Stripclub, der Ali als Operationsbasis diente. Sie schlugen Ali mit dem Kolben einer Mossberg-Pumpgun bewusstlos, packten ihn in den Kofferraum eines S-Klasse-Mercedes,
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