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Havoc - Verwüstung - Thriller

Havoc - Verwüstung - Thriller

Titel: Havoc - Verwüstung - Thriller
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Mai 1937
    Schon seit drei Tagen ganz allein in seiner Kabine, saß der Wahnsinnige jetzt auf der schmalen Koje und schaukelte leicht vor und zurück. Die Augen hatte er starr auf den matten Glanz des Safes gerichtet, der ihm ganz persönlich gehörte. Dabei jagte das Fieber abwechselnd Hitze- und Kältewellen durch seinen Körper. Von der Passage des mächtigen Luftschiffs über den Atlantik bekam er also nichts mit, genauso wenig vom Rhythmus der vier Motoren, die die großen Propeller antrieben, und auch nichts von dem hervorragenden Service, den die Mannschaft ihren Passagieren bot - oder auch nur irgendetwas von dem ständigen Wechsel zwischen Tag und Nacht. Er musste seine gesamten geistigen Fähigkeiten einsetzen, um den Safe im Blick zu behalten.
    Seit dem Abflug in Europa hatte er seine Kabine immer nur spät nachts verlassen, um einen der Gemeinschaftswaschräume aufzusuchen. Bei diesen heimlichen Ausflügen war er aber jedes Mal sofort in seine Kabine zurückgeflüchtet, sobald er in seiner Nähe Passagiere hörte - oder auch Mannschaftsmitglieder, die lediglich ihren Dienst versahen. Am ersten Abend der Reise und im Laufe des darauffolgenden Tages hatte wiederholt ein Steward an seine Tür geklopft und sich nach seinen Wünschen erkundigt. Er hatte dann immer gefragt, ob der Mitreisende Tee oder einen Cocktail oder vielleicht ein paar Salzbrezeln benötige, um seinen Magen zu beruhigen, falls ihm die Bewegungen des Luftschiffs Übelkeit bereiteten. Der Passagier hatte aber jedes Mal abgelehnt und sich dabei bemüht, zumindest einen Anschein von Höflichkeit zu
wahren. Doch als der Kellner dann am zweiten Abend fragte, ob er ihm das Abendessen bringen solle, bekam der Mann in Kabine 8A einen Tobsuchtsanfall und beschimpfte den unglücklichen Steward in einer Mischung aus Englisch, Griechisch und einem afrikanischen Dialekt, den er sich in den vorangegangenen Monaten angeeignet hatte.
    Während der dritte Tag in einen wolkenverhangenen Abend überging, bröckelte der Rest an Kontrolle, den er über seinen Geist gerade noch besaß, weiter. Es war ihm aber gleichgültig. Er war ja fast zu Hause, es würde nur noch Stunden dauern, nicht mehr Tage oder Wochen. Und - er hatte sie alle überlistet! Er ganz allein.
    Die Kabine, die man ihm zugewiesen hatte, war eine Innenkabine ohne Fenster. Eine Lampe war über dem kleinen Tisch an die Wand geschraubt, Glühbirnen beleuchteten in dekorativen Schirmen die Etagenbetten. Alles schien aus poliertem Aluminium gefertigt, Löcher waren in die glatten Flächen gestanzt worden, um dem Raum eine futuristische Atmosphäre zu verleihen, so als befände er sich in einem Raumschiff aus einem Roman von Jules Verne oder H. G. Wells. Der Safe stand in der einzigen freien Ecke der Kabine, zu Beginn der Reise hereingeschleppt von einem Steward, der ein wenig zu lange auf ein Trinkgeld gewartet hatte, das sich der Passagier nicht leisten konnte. Während das Luftschiff auf seiner ersten kommerziellen Fernfahrt auf dieser Route nur zur Hälfte seiner Ladekapazität besetzt war, gehörten die Flugtickets nämlich zu den teuersten, die jemals für eine Atlantikpassage verkauft worden waren.
    Hätte er nicht das Gefühl gehabt, die Zeit dränge, oder wäre er sich nicht sicher gewesen, dass ihm diejenigen, die da Jagd auf ihn machten, gefährlich nahe kamen, er hätte sich gewiss eine billigere Möglichkeit gesucht, um in die Vereinigten
Staaten zurückzukehren. Aber vielleicht war gerade seine Entscheidung, dieses Luftschiff zu benutzen, der brillanteste Schachzug von allen gewesen. Die Leute, die ihn fangen wollten, würden doch niemals vermuten, dass er für die letzte Etappe seiner Heimreise ihr eigenes Flaggschiff benutzte.
    Er streckte die Hand aus, um den Safe zu berühren, damit er die kalten Umrisse unter seinen zittrigen Fingern spüren und in der Erkenntnis schwelgen konnte, dass ein gesamtes Lebenswerk darin eingeschlossen war. Er erschauerte, ob vom Fieber oder vor Erheiterung, das konnte er gar nicht entscheiden. Aber auch dies war ihm egal. An der gegenüberliegenden Kabinenwand hing ein kleiner Spiegel. Er betrachtete sich darin, vermied es jedoch, sich selbst in die Augen zu schauen, denn er war noch nicht bereit, sich dem zu stellen, was hinter ihnen lauerte. Sein Haar war lang und ungekämmt, durchsetzt mit grauen Strähnen, die vor zwei Monaten noch nicht vorhanden gewesen waren. Ganze Büschel waren in den vergangenen Wochen ausgefallen, und als er mit der Hand über
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