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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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Rotwein, Käse und Eis zum
Nachtisch. Am Nachbartisch sitzt ein holländisches Ehepaar. Es ist mit dem
Wohnwagen unterwegs. Alle Holländer sind mit dem Wohnwagen unterwegs, blitzt es
in meinem Kopf auf. Aber der Wohnwagen ist defekt, und jetzt müssen die beiden
Holländer im Gasthaus übernachten. Die beiden staunen über meinen langen Weg zu
Fuß von Konstanz her.
    „Wir
trinken zu viel und laufen zu wenig“, lacht der Holländer lebensfroh, zwinkert
mir zu und bestellt sich noch einen Whisky. Und der Gastwirt fährt mich am
anderen Morgen zurück zum Jakobsweg. Überall gibt es auch Positives und
Freundlichkeit, manchmal von anderen Menschen, als man es erwartet.
    Später
auf dem Weg denke ich manchmal noch an diesen Abend in Mazet .
Und ich versuche zu verstehen: Man kann nicht immer bereit sein, manchmal muss
man auch die Tür zumachen. Weiß ich es nicht selber aus dem heimischen
Pfarrhaus? Aber die Enttäuschung bleibt doch, besonders weil es gerade meine
eigene evangelische Kirche ist. Damals ahne ich nichts von dem Brief, der mich
Monate später erreichen wird aus Mazet . Die
Schwestern hatten auf abenteuerlichen Wegen meine Adresse ausfindig gemacht,
baten mich um Entschuldigung und luden mich ein, irgendwann noch einmal zu
ihnen zu kommen. Das hat mich sehr berührt.

Von Le Puy nach Saint-Jean-Pied-de-Port
Chez Regine und das Aubrac
     
    Das
Bergland Aubrac ist sicher einer der schönsten Abschnitte des Jakobsweges in
Frankreich. Weite Hochebenen, meist über 1000 Meter hoch, Kiefernwälder,
Heidelandschaft, Ginster, Weidelandschaft und das widerstandsfähige Aubrac-Rind sind typisch für die Region. Stundenlange
Wanderungen, ohne einem Menschen zu begegnen. In Le Rouget steht ein großer Kuhstall zwischen den Feldern. Am Tor steht „Gîte“ - hier kann
man übernachten.
     
    Aber
kein Mensch ist da. Auf einem Zettel lese ich auf Französisch: „Gehen Sie
hinein, trinken Sie etwas, duschen Sie - wir kommen nach 16 Uhr!“ Ich nehme die
freundliche Einladung an, stelle meinen Rucksack in die Ecke, ziehe die
staubigen Wanderschuhe aus und gehe erst einmal unter die Dusche.
    Dann
schenke ich mir ein Glas Saft ein und setze mich gemütlich an den Tisch. Am
Abend kommt die Bauersfrau, bringt etwas zu essen und eine Flasche Wein und
kassiert. So einfach und unkompliziert kann alles sein auf dem Jakobsweg.
     
    Les
Quatre Chemins ist kein Dorf, sondern nur eine
Wegkreuzung - eben vier Wege, wie der französische Name sagt. Dort steht eine einsame Bar
„Chez Regine“, und hinter der Theke steht Madame Regine. Sie wirkt ein wenig
verbraucht, hantiert souverän mit den zahllosen Flaschen, die sie umgeben, und
zündet eine Zigarette an der anderen an. Bei ihr lerne ich den Gentianelikör kennen, einen Kräuterlikör, der aus den
typischen gelben Blüten der Gentiane , dem gelbblühenden Enzian, hergestellt wird, der im Aubrac
überall wächst. Zwei müde Hunde schleichen zwischen den Tischen herum,
gelegentlich schaut ein Traktorfahrer herein und trinkt einen Schnaps oder
zwei, vor dem Haus gackern die Hühner, sonst ist nichts los in Les Quatre Chemins . Obwohl die Matratzen total durchgelegen sind,
schlafe ich gut. Die Kirche in Nasbinals , einem
Hauptort im Aubrac, ist romanisch. Ein Brunnen plätschert unter
Kastanienbäumen. Und im Buch, das in der Kirche aufliegt, lese ich in deutscher
Sprache den Satz: „Pilger, wenn du deinen Weg beenden musst, dann denk daran:
Santiago ist überall!“
     
    In
früheren Jahrhunderten war das Aubrac eine unsichere Gegend. Nebel und
Schneestürme bedrohten den einsamen Pilger. 1120 wurde die „ Domerie d’Aubrac “ gegründet, eine Klostergemeinschaft, die
sich der Betreuung der vorbeikommenden Pilger widmete. Ein 30 Meter hoher
Befestigungsturm wurde gebaut und eine Kirche.
     
    Das
Läuten der Glocken sollte verirrten Pilgern im Aubrac den Weg weisen. Längst
ist das Kloster Vergangenheit, ein Brand vernichtete weite Teile, und die
Französische Revolution tat ihr Übriges. Die Kirche und der Befestigungsturm
„Tour des Anglais “ sind geblieben. In diesem Turm
dürfen Jakobspilger heute für acht Euro übernachten - im dritten Stock. Die
Toilette ist ganz unten am Ausgang.

Österliche Gedanken in
Saint-Côme-d’Olt
     
    „ Welcome !“, ruft Cajetan, als ich am späten Nachmittag im
Konvent der Ursulinen von Saint-Côme-d’Olt ankomme. Es klingt herzlich und man
hat den Eindruck, als habe er die ganze Zeit schon auf mich gewartet und kenne
mich seit
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