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Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Erst mal bis zur nächsten Kuh...

Titel: Erst mal bis zur nächsten Kuh...
Autoren: Jürgen Barth
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mehr,
hoffentlich!

Lebenslänglich in Figeac
     
    Ob
nicht jeder Mensch irgendwie religiös ist? In Livinhac-Le-Haut hatte ich Jerome und Inge kennen gelernt, ein schwedisches Paar, Lehrer und
Sozialarbeiterin. „Wie empfindest du diese Kirchen hier und die Religiosität?“,
hatten sie mich gefragt.
    Und
sie hatten deutlich gemacht, dass für sie das Ganze nur von kunsthistorischem
Interesse sei - das Tympanon in Conques etwa, ein großartiges Kunstwerk, aber
eben aus einer fernen Vergangenheit. „Und euer eigener Glaube? Euer Verhältnis
zur Kirche?“, hatte ich gefragt. „ We are not engaged “,
war ihre Antwort gewesen, also nicht engagiert. Als ich am anderen Morgen neben
Jerome im Nebel einige Zeit gemeinsam laufe und in der Ferne, unsichtbar für
unsere Augen, ein paar Kuhglocken zu hören sind, erzählt er von einer Wanderung
am Mont Blanc vor zwanzig Jahren mit seiner Frau. Sie
waren ganz oben fern aller menschlichen Ansiedlung, nur die grünen Wiesen, die
Kühe mit ihren Glocken, der blaue Himmel, die Bergspitzen: „I thought I would be in heaven “, sagt er. Mir fällt
ein, wie er gestern Abend noch gesagt hatte: „ We are not engaged .“
Ob nicht jeder eine religiöse Ader hat und irgendwie doch „ engaged “
ist? In Figeac sind im Kloster „ Carmel de Figeac“ die
Karmeliterinnen „ engaged “, und ich möchte bei ihnen
übernachten, um ihre Frömmigkeit kennen zu lernen. Figeac ist eine lebendige
kleine Stadt am Lot, die Heimat von Jean-Francois Champollion ,
dem es vor 200 Jahren gelang, die ägyptischen Hieroglyphen zu entziffern. Als
ich im Kloster ankomme, sitzen die katholischen Priester Ludwig und Otto mit
ihrem Pfadfinder Horst schon vor der Tür. Sie sind diesmal ein Stück mit dem
Zug gefahren und haben mich so wieder mal elegant überholt.
    Die
Karmeliterinnen bekomme ich nicht zu Gesicht, nicht einmal im
Abendgottesdienst, in dem sie abseits in einem nicht einsehbaren Seitentrakt
ihrer Kirche sitzen. Dafür lerne ich Maryse kennen, eine Hospitalière ,
die für zwei Wochen die Pilger betreut, die im Kloster übernachten wollen, und
für sie kocht. Wir sind an diesem Abend zu sechst: neben dem Dreigestirn und
mir noch Swenja , eine junge Religionslehrerin, und
ein Radfahrer aus dem Rheinland, der an diesem Tag 190 Kilometer gefahren ist,
an Conques vorbei, und in Riesenetappen auf Santiago zufährt.
    Als
ich mein nassgeschwitztes Hemd gewaschen habe und es
im Klostergarten aufhängen will, nimmt es mir Maryse aus der Hand. Nein, in den
Klostergarten könne ich nicht gehen, die Nonnen könnten dort sein und es sei
nicht möglich, dass ich als Mann... sie werde das Hemd für mich aufhängen und es
am Abend auch wieder abhängen. Und dann erzählt sie mir von den strengen Regeln
im Kloster, von der Abgeschiedenheit. Keine Einkäufe, selbst der Arzt komme ins
Haus. 89 Jahre sei die älteste Schwester, sie sei mit 19 Jahren eingetreten und
habe das Klostergebäude seit 70 Jahren nicht verlassen. Mich überläuft es.

Fröhlichkeit im Kloster
und auf dem Sportplatz
     
    Im
„Monastère des Filles de Jésus“ in Vaylats herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Die Schwestern,
vorwiegend schon sehr alt, haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Jakobspilger
zu beherbergen. Gemeinsam sitzen wir an großen langen Tischen. Eine Schwester
stimmt einen Kanon an und begrüßt die Gäste. Dann wird aufgetischt: Suppe,
Salat, Fisch mit Reis, Obst zum Nachtisch und natürlich Käse, Brot und Rotwein.
Die Schwestern selbst essen etwas Einfaches. Sie können nicht jeden Tag mit
hungrigen, müden Pilgern kräftige Mahlzeiten einnehmen, schließlich laufen sie
am nächsten Tag keine dreißig Kilometer.
    Wer
sind die „Töchter Jesu“, wie sie sich nennen? In einem kleinen Faltblatt lese
ich über ihre Geschichte: Jean Liausu hat 1820 eine
Ordensgemeinschaft gegründet, um etwas zu tun gegen die religiöse Unwissenheit
in der ländlichen Gegend um Vaylats . Der Orden wuchs,
bald waren es fast 600 Ordensschwestern. Auch in Übersee, in ländlichen
Gegenden Afrikas, breitete sich der Orden aus. Heute sind es freilich weit
weniger Schwestern. Der Orden sieht seine Aufgabe darin, „mutig neue Formen der
Präsenz zu erfinden in einer Welt, die nichts vom Evangelium weiß“.
    Beim
Abendessen am langen Tisch entstehen Kontakte. Alle sind hilfsbereit und
aufmerksam, Sprachgrenzen sind keine Barrieren, irgendwie geht es mit etwas
Französisch, Deutsch und Englisch und man kommt ins Gespräch: Ute aus
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