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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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nicht lange.
    Sie gehörte zu den Leuten, die, überzeugt, dass man ihre Stimme wiedererkennt, sich nicht mit ihrem Namen melden, wenn sie anrufen. In diesem Fall hatte ich begriffen, dass sie es war, und unterdrückte meinen Ärger. Nein sagen und danach ein schlechtes Gewissen haben hättemich mehr gestört, deshalb sagte ich: Ja, komm herauf, ich freue mich.
    Ich wohnte im dritten Stock nach französischer Zählung, also eigentlich im vierten. Es gab keinen Fahrstuhl. Einige lange Minuten vergingen, bevor es klingelte. Ich öffnete die Tür. Lucy machte ein Gesicht wie eine Katze, die eine Maus bringt. Sie schob mir einen jungenhaften Amerikaner entgegen und sagte: Das ist Thomas Snow. Thomas, hier siehst du den großen Romancier, von dem ich dir erzählt habe.
    Wir gaben uns die Hand. Es war nach sechs, und ihn machte ihre Vorstellung so offensichtlich verlegen, dass ich die beiden entgegen meiner Absicht, sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden, ins Wohnzimmer führte und ihnen einen Drink anbot. Der Whiskey entspannte den jungen Mann. Die belanglose Frage, was ihn ausgerechnet im Januar, zu einer für Touristen ungewöhnlichen Zeit, nach Paris geführt habe, öffnete die Schleusen, und er überschüttete mich mit einer wahren Informationsflut. Er sei ein GI auf Urlaub. Er habe mit einem Stipendium des Harvard College an der London School of Economics studiert und seinen Master gemacht. Danach habe er sich freiwillig zum Militärdienst gemeldet und diene als Unteroffizier im Hauptquartier der 7. US-Armee in Heidelberg. Seine Dienstzeit dauere noch bis zum Sommer. Im Herbst werde er an der Harvard Business School anfangen.
    Und danach?
    Er hatte alles genau geplant: Er wollte an der Wall Street arbeiten, in einer großen Investmentbank, am liebsten bei Morgan Stanley oder, wenn daraus nichts wurde, bei Kidder. Darüber hinaus hatte er mehr oder weniger nebelhafte Träume.
    Das ist ein ziemliches Programm, sagte ich, und fragte dann Lucy, wo sie diesen bemerkenswerten zukünftigen Financier kennengelernt habe.
    Aber das wollte ich gerade erzählen, protestierte Thomas. Wir sind uns zu Anfang des zweiten Semesters in meinem letzten Jahr am College begegnet, auf einer Party Ihres guten Freundes Alex van Buren. Dass Sie Freunde sind, weiß ich, weil Lucy es mir erzählt hat. Das war unheimliches Glück. Lucy und ich haben uns sofort verstanden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie wir uns sonst begegnet wären.
    Lucy nickte heftig und hielt mir ihr Glas zum Nachfüllen hin.
    Wie interessant, sagte ich. Was hatte Alex in Cambridge zu tun? Er hat sein Examen vor Jahren gemacht. Früher als ich.
    Er hatte in der Maklerfirma der Familie gearbeitet, erklärte Thomas, und dann wurde beschlossen, dass er an der Business School weiterstudieren solle. Sein Vater hat ihn dazu gedrängt.
    Genau genommen hatte Lucy nicht ganz recht. Ich hatte Alex gekannt, wir vertrugen uns, er war immer sehr nett zu mir gewesen, aber von enger Freundschaft konnte keine Rede sein. Er war ein paar Jahre älter als ich, hatte bei den Marines gedient und Iwojima überlebt. Eine kleine Weile waren wir beide gleichzeitig beim Lampoon ; er hatte sich dafür eingesetzt, dass ich aufgenommen wurde, aber das war auch alles. Er wird wohl zu den Lampoon -Dinners gegangen sein. Ich nicht. Ich erinnerte mich an die auffallend reichen und snobistischen New Yorker, mit denen Alex herumgehangen hatte, und fragte mich, was ausgerechnet dieser junge Mann auf einer vonAlex’ Partys zu suchen hatte. Ich musste es nicht eruieren: Die Erklärung war schon auf dem Weg. Es sah so aus, als hätte Thomas beschlossen, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen, und Lucy, mütterlich stolz auf seine höfliche Selbstsicherheit, ließ ihn offenbar ganz gern reden.
    Alex und Alex’ Eltern, eigentlich den ganzen Van-Buren-Clan habe er in den Sommerferien kennengelernt, die er seit seinem Junior-Jahr auf der Highschool immer im Sommerhaus der Familie in Newport zugebracht hatte, als Babysitter und um den Neffen, Nichten und Enkelkindern der van Burens Nachhilfeunterricht in Mathematik und Geschichte zu geben. Er stamme auch aus Newport, aber nicht dem van Burenschen Newport – bei der Vorstellung, ich könnte das denken, schüttelte er sich vor Lachen. Seinem Vater gehörte die Autowerkstatt, in der alle Welt, auch die van Burens, ihre Nobelkarossen überholen ließen, und seine Mutter war Buchhalterin. Sie führt die Geschäfte für meinen Vater, fügte er noch hinzu. Ich
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