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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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Schriftsteller, und Bella schrieb ebenfalls; in jeder Wohnung, ob in New York oder in dem Haus an einem felsigen Abhang außerhalb von Sharon, Connecticut, das ich in den fünfziger Jahren von einer unverheirateten Tante geerbt hatte, oder in unserer Pariser Wohnung in der Nähe des Panthéons, überall richteten wir zwei nebeneinander liegende Räume als unsere Arbeitszimmer ein.
    In einem Winter dann, den wir aus Berufsgründen in New York verbrachten, begann Bella, die nie überSchmerzen oder Beschwerden klagte, nie Erkältungen hatte oder sich von einem Jetlag das Schlafmuster durcheinanderbringen ließ, unter dauerndem Schnupfen und seltsamen kleinen Infektionen zu leiden, und auf ihrer Haut tauchten rote Flecken auf. Sie scherzte, wenn einer von uns ein Drogensüchtiger wäre, der Nadeln gemeinsam mit anderen benutzte oder mit anderen Abhängigen schlief, dann würde sie denken, sie habe Aids. Aber nein, sie sei einfach von dem endlosen New Yorker Winter angeschlagen. Ich glaubte, dass sie recht hatte. Zum ersten Mal in unserem Leben reisten wir der Sonne nach in den Süden, nach Barbados, die einzige reizvolle Insel, auf der es eine Unterkunft gab, die bot, was wir brauchten – die beiden unentbehrlichen Arbeitszimmer und Strandnähe – und sofort zu einem annehmbaren Preis verfügbar war. Das Haus am Strand von St. James erwies sich als perfekt. Vom frühen Morgen an saßen wir arbeitend an unseren Schreibtischen. Vor dem Lunch gönnten wir uns ein, zwei Stunden in der Sonne und im sanften Karibischen Meer, das uns mit einer endlosen Modenschau der im Korallenriff hin und her flitzenden Fische verwöhnte, dann gingen wir zum Essen nach Hause und hielten danach den Mittagsschlaf, der für uns die Zeit zum Lieben war. Anschließend arbeiteten wir wieder bis weit in den Abend. Nach einer Woche dieses paradiesischen Lebens sagte mir Bella, als wir mittags vom Essenstisch aufstanden, diesmal müssten wir ausnahmsweise nur Ruhe halten. Ihr tue alles weh, und besonders dort unten. Auch eine merkwürdige Blutung sei ihr aufgefallen. Ob ich einverstanden sei? Sofort erklärte ich ihr, wir müssen den nächsten verfügbaren Flug nach New York nehmen und zu unserem Hausarzt odereinem Spezialisten gehen. Das lehnte sie kategorisch ab und bestand darauf, dass wir die restlichen zwei Wochen, für die wir das Haus gemietet hatten, auf der Insel blieben. Kein Grund, auch nur einen Augenblick unseres Idylls zu opfern. Dass es reichlich Grund gegeben hätte, erfuhren wir jedoch schon bald, nachdem wir wieder in der Stadt waren. Bella hatte die Symptome einer akuten lymphoblastischen Leukämie, die das Knochenmark angegriffen hatte und es methodisch, unerbittlich zerstörte. Mit zunehmend drakonischen Maßnahmen ließ sich eine vielleicht einen Monat vorhaltende Remission erreichen. Wieder und wieder durchlief Bella den Zyklus, der sie schwer zeichnete und völlig erschöpfte; Hoffnung auf Heilung oder eine länger anhaltende Remission bot nach Auskunft des Hämatologen nur eine gelingende Knochenmarktransplantation. Bella hatte außer einem älteren Bruder keine Geschwister; er war sofort bereit, Knochenmark zu spenden. Die Blutsverwandtschaft und die daraus resultierende fast vollständige Übereinstimmung ihrer Blutgruppen würde das Risiko einer Abstoßung erheblich vermindern. Bella wog die Nachbehandlung, der sie sich im Anschluss an die Transplantation unterziehen müsste, gegen die Heilungschancen ab, die sie mit hartnäckiger Skepsis einschätzte, und entschied sich gegen die Prozedur. Ich glaube nicht, dass der Krebs meinen Körper verlässt, und ob ich ein paar Jahre gewinne, ist mir egal, sagte sie. Es wären keine guten Jahre. Wir haben ein wunderbares Leben miteinander gehabt. Geben wir uns nicht mit einem Rest zufrieden, in dem so schrecklich wenig von mir übrig bliebe. Das wollen wir beide nicht. Ich konnte nicht verbergen, dass ich mit ihr einig war. Mit Hilfe von Opiaten, die wir gehortet hatten, starb siesechs Monate später friedlich in meinen Armen. Und ich? Ich leide Folterqualen, aber ich habe immer noch meine Arbeit. Die erledige ich gewissenhaft und bescheiden und nur, weil sie mir Freude macht, einen anderen Lohn erwarte ich nicht. Und ich habe meine Erinnerungen. Dantes Vergil hat sich geirrt, als er ihm erklärte, kein Schmerz sei größer, als im Unglück an vergangene glückliche Zeiten zu denken. Die Erinnerung ist ein Trost. Vielleicht der einzige. Sie ist auch der beste Begleiter.
    Eine
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