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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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mich von ihr vertreiben zu lassen.
    Lucy musste sich nach mir umgesehen haben, um herauszufinden, in welche Richtung ich ging, als wir uns nach der ersten Pause trennten. Sie wartete oben an der Treppe auf mich.
    Also, das Ballett war gut, sagte sie. Hat es dir gefallen?
    Ich nickte.
    In Europa gibt es vielleicht bessere Tänzer, fuhr sie fort, aber das weiß ich nicht. Ich reise nicht mehr nach Europa. Für mich ist diese Compagnie immer noch wunderbar.
    Ich sei ganz ihrer Meinung, versicherte ich, worauf sie fragte: Willst du mir nicht ein Glas Champagner anbieten?
    Nüsse zum Knabbern verlangte sie dann auch noch. Ich zahlte und folgte ihr auf die Terrasse. Dort erklärte sie mir, fast ohne eine Pause zwischen den Sätzen zu machen, es habe ihr leidgetan, die Nachricht über Bella zu lesen, sie hätte mir schreiben sollen, aber sie habe Bella nicht besonders gut gekannt und angenommen, dass der Verlust mich sehr einsam gemacht habe.
    Schockiert von der Fühllosigkeit ihrer Bemerkungen drehte ich mich zum Springbrunnen und schwieg.
    Nach einer Pause sagte sie, andererseits hätte ich ihr nach Thomas’ Tod geschrieben, das wisse sie noch, undsie habe damals gemeint und meine immer noch, dass das eine Geste fehlgeleiteter Höflichkeit gewesen sei. Beileidsbriefe habe sie nicht erwartet und deshalb auch nicht beantwortet.
    Vielleicht habe ich die Achseln gezuckt, bevor ich antwortete, dass ich Thomas gern gemocht hatte und traurig war, als ich von ihrer Scheidung erfuhr, und natürlich erst recht, als ich von dem grauenvollen Unfall hörte.
    Sie drehte sich zu mir.
    Was denkst du denn! Mit diesem Monster hätte ich nicht mehr leben können. Du hast dich natürlich weiter mit ihm getroffen, so wie meine restlichen Freunde auch. Tja, alles, was er wollte, fiel ihm in den Schoß, einschließlich dieser Berühmtheit, seiner zweiten Frau, und dass er alles nur mir verdankte, hat er nie zugegeben. Vielleicht hat er es vergessen. Vielleicht auch nie begriffen.
    Eine Antwort ersparte ich mir.
    Mein Sohn Jamie ist ein Versager, sagte sie noch, ohne Zusammenhang zum Vorigen. Er versucht, Drehbücher zu schreiben, versteht aber nichts davon. Kein Wunder, dass er sie nicht verkaufen kann. Seine Frau ist eine Chicana. Natürlich wohnen sie in einem gruseligen Vorort von L. A. Wenn ich dahin fahre, darf ich nicht mal bei ihm zu Hause wohnen. Ich muss in ein Motel gehen!
    Das ist bitter, sagte ich.
    Diesmal stimmte sie mir zu. Sie sagen, dass Thomas nie gefragt hat, ob er bei ihnen wohnen kann. Warum auch? Er blieb in einer Suite im Beverly Hills Hotel und ließ sich hin und zurück fahren. Er hatte überhaupt keinen Ortssinn, weißt du.
    Ich musste lachen. Womöglich hat er sich damit die bessere Lösung ausgesucht, sagte ich.
    Natürlich, er konnte sich das leisten, entgegnete sie.
    Sie hatte wohl gemerkt, dass ich mich verabschieden wollte, und wechselte das Thema: Ich denke mir, du bist zum Dinner verabredet. Du kannst es mir ruhig sagen. Du musst dir nicht den Kopf zerbrechen, ob ich dazu passe, ich habe schon gegessen. Ich esse jetzt immer früh. Aber an einem anderen Abend möchte ich dich zum Dinner sehen. Gibst du mir deine Telefonnummer?
    Ich nannte sie ihr, ebenso meine E-Mail-Adresse.
    Sie schrieb beide in ein abgegriffenes Adressbuch und sagte: Ich melde mich.

II
    Thomas Snow: der brillante Investmentbanker, der massenweise Geld machte, viel davon weggab und zu einer Wall-Street-Koryphäe wurde. Je nachdem, wo ich gerade lebte, in New York oder in Paris, hatten wir uns immer gern getroffen, und seit dem Ende der siebziger Jahre war er oft auf der Durchreise nach Paris gekommen. Natürlich hatte ich seine Gast-Kommentare in US-Zeitungen und gelegentlich in der Financial Times verfolgt. Als Lucy nun mit solcher Feindseligkeit von ihm sprach und mit einem Groll, den die Zeit offenbar nicht im Mindesten gemildert hatte, stand mir wieder der junge Mann vor Augen, den sie mir vor ungefähr fünfzig Jahren in Paris an einem Nachmittag vorgestellt hatte. Ich saß damals in meinem Studio und arbeitete am ersten Kapitel eines Romans, das hieß in meinem Fall, ich überarbeitete zum dritten oder vierten Mal, was ich am Vortag geschrieben hatte. Das Telefon klingelte; ich nahm den Hörer ab und hörte Lucy sehr laut sagen: Hallo, ich stehe praktisch unten vor deinem Haus, ich bin in dem Café an der Ecke Vaugirard und Madame. Bei mir ist jemand, den ich dir gern vorstellen möchte. Können wir heraufkommen? Wir bleiben auch
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