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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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Hinsicht etwas Besonderes – wenigstens im Rahmen der frühen fünfziger Jahre. Ein Mann, mit dem ich zweimal pro Woche Squash spielte, abwechselnd im Harvard Club, wenn ich einlud, und in seinem feinen Park Avenue Club, wenn er an der Reihe war, hatte noch weiter seine Runden im Karussell der Debütantinnenbälle gedreht. Er war nicht aus der Einladungsliste gestrichen worden und deshalb auf dem Ball gewesen, den Lucys Eltern in dem Sommer bevor sie ans Radcliffe-College ging, in ihrer herrschaftlichen Villa für die Tochter gaben, und hatte während der darauf folgenden New Yorker Saison bei den Junior Assemblies und allen möglichen anderen Gelegenheiten – darunter einigen, über die er lieber nichts Genaues sagte – Kontakt mit ihr gehalten. Sie war hinreißend, umwerfend, erzählte er mir, sie setzte alle Männer ohne Tanzpartnerin unter Strom und hätte leicht die Debütantin des Jahres sein können, wären nicht die Gerüchte über die unselige Angelegenheit an Miss Porters Institut gewesen, die sich ausgerechnet unmittelbar vor ihrem Examen abgespielt hatte. Sie hatte sich unerlaubt aus dem Institut entfernt – angeblich hatte sie sich aus ihrem Schlafzimmerfenster abgeseilt – und wurde am nächsten Morgen außerhalb von Farmington in einem Howard-Johnson-Motel aufgefunden, wo sie ihren Rausch ausschlief. Ihr Verehrer hatte sich schon absentiert, und sie weigerte sich, der Schulleiterin oder der Polizei seinen Namen preiszugeben, verriet ihn auch ihren Eltern nicht. Mr. De Bourgh zog ein paar Drähte und schrieb einen dicken Scheck aus, so dass sie ihr Examen machen durfte, und er und Mrs. De Bourgh ließen die Party steigen wie geplant. Ob es ihnen gegen den Strich ging, war eine offene Frage, da die Einladungen schon verschickt waren und die Peinlichkeit größer gewesen wäre, hätten sie das Fest abgesagt. Mein Squashpartner machte mir diese Eröffnungen, als wir uns nach einem schweißtreibenden Match in der Umkleidekabine seines Clubs ausruhten. Passend zur Atmosphäre der Umgebung fügte er noch ein persönliches Zeugnis an: Sie fickt wie eine Mänade. Eine versnobte Mänade!
    Ich lernte sie in Paris näher kennen. Zunächst liefen wir uns nur auf Veranstaltungen der amerikanischen Botschaft über den Weg. Botschafter Dillon und sein Nachfolger Amory Houghton hatten zusammen mit ihrem Vater studiert; beiden lag daran, sich um Lucy zu kümmern. Später lud sie mich zu den eleganten kleinen Dinnerpartys ein, die sie in ihrem Apartment in der Rue Casimir-Perier gab; von ihrer Wohnung konnte sie zu Fuß zur Place du Palais Bourbon gehen, wo damals das Redaktionsbüro der Vogue war. Dann kam eins zum anderen. Damals waren viele junge amerikanische Studenten und Expatriates in Paris. Mit dem starken Dollar war Luxus erschwinglich. Ein Lunch für zwei mit einer Flasche ordentlichem Wein und einem großzügigen Trinkgeld im Lapérouse kostete vielleicht zwölf Dollar. Der Krieg in Algerien war noch nicht in seiner heißen Phase, und die Verlockung des intellektuellen und literarischen Lebens in Paris befand sich dank Sartre, Simon de Beauvoir und Camus auf dem Höhepunkt, umso mehr, als der Existentialismus und der französische Film groß in Mode waren. Bekanntlich sind die Reichen anders als wir Übrigen: Sie besitzen und genießen früh und sind überzeugt, besser zu sein als wir. Lucy selbst war nicht sehr reich, aber unverkennbar umgeben von einer Aura historischer Bedeutung und alten Geldes. Im achtzehntenJahrhundert waren ihre Vorfahren wohlhabende Schiffseigner in Bristol, Rhode Island, gewesen. Ihr Vorvater James De Bourgh hatte bereits ein Schiff geführt, als er noch keine zwanzig war; im Krieg von 1812 war er ein gefürchteter Freibeuter auf Seiten der Amerikaner gewesen, nach einer Karriere in der Landespolitik Rhode Islands wurde er Senator. Sein gewaltiges, später durch die Baumwollindustrie konsolidiertes Vermögen erwarb er sich mit dem Sklavenhandel; als er in den späten dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts starb, galt er als der reichste Mann Rhode Islands und womöglich der zweitreichste in den Staaten. Ich vermute, John Jacob Astor war derjenige, der ihm den Rang ablief, aber ich habe mir nicht die Mühe gemacht, dies nachzuprüfen. Als ich Lucy kennenlernte, kannte kaum jemand die Legende der De Bourghs, sofern nicht die amerikanische Geschichte sein Steckenpferd war, und sogar ich, auf den das zutraf, hatte zunächst nur eine vage Erinnerung, dass es irgendwann einmal
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