Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
bin ein Einzelkind.
    Dann sind Sie in der Nähe von Bristol aufgewachsen, bemerkte ich, beinahe im De-Bourgh-Territorium.
    Er lachte. Ja, der Luftlinie nach ist es keine Entfernung. Aber sonst … Jedenfalls, im Sommer bevor er zur Business School ging, sagte mir Alex, er werde sich melden, sobald er sich in Cambridge eingerichtet habe. Weil er wirklich nett ist, rief er mich an und lud mich zu Partys ein, die er und sein Mitbewohner nach Football-Spielen gaben. Im Februar meines letzten Jahrs am College lud er mich dann aus heiterem Himmel zu einer kleinen Party ein, die keinen besonderen Anlass hatte. Nur diese mörderischen Martinis. Kannenweise. Da war sie – er lächelte in Lucys Richtung –, und er stellte mich ihr sofort vor. Ich sag’s noch einmal. Er ist wirklich großartig. Damit meine ich nicht bloß den Kriegsheldenkram. Sie wissen ja, er hat einen Silver Star mit drei Eichenblättern und zwei Purple Hearts. Er hat mich nie wie einen Angestellten behandelt, keine Spur, das meine ich. Er hat mir Segeln beigebracht, hat sich stundenlang mit mir über den Ersten Weltkrieg unterhalten, mein wichtigstes Thema damals. Er liest eine Menge Geschichtsbücher.
    Das hörte ich gern. Die Orden waren mir neu. Sie zeigten eine Bescheidenheit, die Alex mit einigen anderen Kriegsheimkehrern teilte, die ich am College kennengelernt hatte. Von ihnen hörte man kein Wort über die Gräuel der Schlacht um Iwojima oder der Ardennenoffensive oder was immer sie durchgemacht hatten. Die Großzügigkeit gegenüber diesem jungen Mann war etwas überraschend; vielleicht hatte Alex ein neues Kapitel aufgeschlagen. Aber als Thomas weiter vom Herrensitz der van Burens erzählte und von seinem kindlichen Erstaunen über den Tennisplatz, das Schwimmbecken, das in seiner Größe fast olympischen Ansprüchen genügte, das Bootshaus mit den Skulls und dem Segelzubehör, die an ihren Ankern dümpelnden Dinghis der Kinder und die Jolle von Alex’ Vater, auf der er und Mrs. van Buren Tagestouren mit Thomas und seinen Schützlingen machten, da fragte ich mich, ob er das Anwesen der De Bourghs schon gesehen hatte oder wusste, dass es höchstwahrscheinlich nicht weniger großartig war. Ein junger Verehrer, wie ihn Lucys Freunde von ihr erwarteten, war er ganz sicher nicht, das musste Thomas wissen, auch wenn er es nicht sagte. Ich hätte sogar gewettet, dass er mir mit seiner Bekenntnisflut zu verstehen geben wollte, er könne meine Überraschung verstehen und habe nicht die Absicht, jemanden über seine Herkunft im Unklaren zu lassen. Darum hätte er sich keine Sorgen machen müssen. Leute aus Lucys Welt, denen diese Dinge wichtig waren, konnte man nicht hinters Licht führen. Ja, er war sportlich – später erfuhr ich, dass er in der Laufgruppe seiner Highschool gewesen und auf die Sprintstrecken spezialisiert war – und deutlich größer als sie, hatte braunes Haar mit Seitenscheitel und ein nettes Gesicht mit regelmäßigen Zügen, er trug einen grauen Flanellanzug von Brooks Brothers, der ihm weder zu groß noch zu klein war, dazu ein blaues Hemd mit Button-down-Kragen wie jedermann. Hätte Norman Rockwell das Porträt eines GIs im Urlaub, mit leuchtenden Augen, unterwegs zum ersten Date mit der Tochter seines zukünftigen Chefs, auf das Titelblatt der Sunday Evening Post setzen wollen, wäre dieser Bursche ein geeignetes Modell gewesen – natürlich etwas aufgemöbelt. Und ja, seine Aussprache war korrekt und ohne Dialektfärbung. Das war schön und würde bei seinen in Aussicht genommenen Arbeitgebern an der Wall Street gut ankommen. Aber im Dunstkreis der De Bourghs nützte es nichts. Er war ein townie , Sohn eines Automechanikers, eines Dienstleisters in einer Sommerresidenz des Geldadels!
    Das hätte vielleicht nichts ausgemacht, wäre die Werkstatt – die beste am Ort – etwa in Caspar Wyoming gewesen. Aber dass sie ausgerechnet nebenan, in Newport, lag, das war würdelos, ein schlechter Witz, der den Eltern De Bourgh und Lucys Bruder und wer weiß wie vielen Onkeln, Tanten und Vettern anhaltendes Sodbrennen bescheren musste. In diesem letzten Punkt hatte ich mich allerdings weitgehend geirrt, das stellte sich in der Folgezeit heraus. Außer solchen Abschweifungenüber Klassen und Kasten an der Ostküste der Vereinigten Staaten, die zu meinem Metier gehörten – ich war schließlich Schriftsteller –, beschäftigte mich noch eine andere Merkwürdigkeit: In Lucys Pariser Milieu fanden sich viele Bankiers und Anwälte, die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher