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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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verwandt sei, der seine Tirade sicher gebilligt hätte. Ich sagte überhaupt kaum etwas. Meine Gedanken und meine Blicke waren auf Bella fixiert; ein coup de foudre , der Blitz hatte mich getroffen, ich hatte mich verliebt.
    Das Abendessen endete sehr spät. Ein anderes Paar, Bernard und Francine Bruneau, war zu uns gestoßen. Die Haushälterin war zu Bett gegangen, also räumten wir alle zusammen den Tisch ab, kratzten die Essensreste von den Tellern und spülten sie ab, bevor wir sie im Ausguss und auf dem Küchentisch stapelten. Als ich zusah, wie das Paar de Clam gute Nacht sagte und sich zurückzog, packte mich der Neid, scharf und demütigend. Guy schlug einen Scotch zum Abschluss vor. Ich nahm das Angebot an. Bernard und Francine zögerten, sagten dannaber, sie würden ebenfalls zu Bett gehen. Darauf hatte ich gehofft: mit Guy und Elsa allein gelassen zu werden. Als die Unterhaltung allmählich versandete, fragte ich die beiden nach den anderen Gästen.
    Es ist ein Klassentreffen!, rief Elsa. Alle drei Männer waren bis zur hypokhâgne gemeinsam am Stan. Und Bernard und Marc waren in der Science Pro wieder zusammen.
    Bernard ist am Geschäft seines Vaters beteiligt, eines Antiquitätenhändlers im Faubourg Saint-Honoré, und Marc arbeitet für die Banque Worms.
    Ich kannte genug Mitglieder der eleganten Pariser Bourgeoisie, um zu wissen, dass mit Stan das Collège Stanislas gemeint war, die hochangesehene katholische Schule, zu deren berühmten Absolventen auch der von Marc de Clam so verabscheute General de Gaulle gehörte.
    Und die Frauen?, fragte ich.
    Francine hat Zwillinge, zwei Jungen. Übers Wochenende sind sie bei den Großeltern. Die Kinder sind mehr als ein Vollzeitjob, aber sie hilft auch im Antiquitätengeschäft mit. Sie war an der École du Louvre.
    Und Bella, warf Guy ein, die hochgeachtete Bella! Sie hat die khâgne in der Fénelon absolviert und war in der Aufnahmeprüfung für die Normal Sup Zweit- oder Drittbeste. Natürlich wurde sie aufgenommen und hat ein brillantes Examen gemacht. Aber mitten im Studium heiratete sie Marc. Unterrichtet hat sie nie. Stattdessen ist sie eine meiner Autorinnen. Vor zwei Jahren haben wir ihre köstliche kleine Studie über Madame de La Fayette publiziert. Jetzt arbeitet sie an einem neuen Buch, verrät das Thema aber nicht.
    »Hochgeachtet«! Mir war, als hätte ich das gespürt: Sie war ebenso intellektuell wie schön. Fénélon war das beste Lyzeum; die École Normale Supérieure das nec plus ultra der Humanwissenschaften in Frankreich. Der intellektuelle Snob in mir lächelte und nickte beifällig.
    Dein Schulfreund Marc hat ziemlich ausgeprägte politische Meinungen, sagte ich vorsichtig. Denkt sie genauso?
    Guy lachte. Bestimmt nicht! Sie ist eine heimliche Sozialistin. Seine politischen Ansichten ignoriert sie. So wie wir alle. Er ist ein ganz besonderes französisches Produkt: der liebenswerte rechtskonservative Spinner.
    Elsa schaltete sich ein: Das hat er in den Genen. Du müsstest nur mal hören, was er über den Verräter Dreyfus zu sagen hat!
    Eine Weile blieben wir schweigsam, blickten hinauf zu den Sternen, die so strahlend hell waren, dass man wirklich glaubte, sie würden brennen. Als Guy sich reckte und gute Nacht sagte, versprach Elsa, sie werde gleich nachkommen, und fragte, ob ich noch Lust auf einen Whiskey hätte. Einen kleinen, antwortete ich. Sie schenkte mir und sich einen ein.
    Die Woche war anstrengend, sagte sie. Ich habe zurzeit Dienst in der Notaufnahme, und wir hatten eine Rekordmenge von Verletzungen, Autounfällen, Messer- und Schusswunden, und dazu die üblichen Infarkte, Schlaganfälle, Kinder, die vom Fahrrad gefallen sind und sich den Kopf aufgeschlagen haben. Du hast es vielleicht gemerkt, fuhr sie dann fort, abrupt das Thema wechselnd. Die Ehe ist nicht gut. Bella tut ihr Bestes. Sie haben keine Kinder; ich habe das Gefühl, dass auch keine kommen werden, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann sieentscheidet, dass es ihr reicht. Marc hat etwas dagegen, dass sie schreibt, ist das zu glauben? Er behauptet, das mache ihn und seine Mandanten nervös!
    Am nächsten Tag organisierte Bernard Bruneau eine Antiquitätensuchexpedition nach Nîmes und Arles. Das Projekt wurde allgemein mit Begeisterung aufgenommen, Bernard und Elsa kannten sich mit Flohmärkten und Händlern in der Provinz gut aus, und Marc de Clam offenbar ebenso. Ich entschuldigte mich. Der Tag war herrlich und weniger heiß als der vorige, und ich fand
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