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0900 - Der Magier

0900 - Der Magier

Titel: 0900 - Der Magier
Autoren: Volker Krämer
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Welche Farbe hatten ihre Augen nur gehabt?
    Grün oder doch braun? Wie konnte er das denn nur vergessen haben? Diese Augen… er hatte so viele Stunden in sie hineingesehen. In einer der schwierigsten Phasen seiner Existenz hatte er Ruhe und Erholung in ihnen gesucht und gefunden.
    Ihr Name war Sally. Sie war kein Mädchen von hoher Geburt, nein, das nun wirklich nicht. Sie war die jüngste Tochter eines Bauern, der auf den bunten Märkten, die sich täglich um die große Burg herum abgehalten wurden, seine Waren feilbot. Der alte Magier hatte sich dort ebenfalls oft herumgetrieben - manchmal sogar in Begleitung des jungen Königs und dessen Rittern.
    Artus war nicht der perfekte, der makellose Herrscher gewesen, den die Geschichte und ihre Legenden in ihm sehen wollte. Merlin wusste das. Doch der junge Mann strömte Lebenslust und Freude aus, die er seinen Untertanen gerne vermittelte.
    Solche Markttage bildeten dazu den besten aller denkbaren Rahmen. Der König scherzte mit den Markthändlern, flirtete mit allen Damen - ob sie jung oder alt waren. Irgendwie sprang diese Ungezwungenheit auf alle über. Auch Merlin blieb davon nicht verschont. Er wurde vom Volk verehrt, denn er war der Lehrmeister des Königs, sein Berater in allen Lebenslagen.
    Artus vertraute Merlin bedingungslos - aber Merlin vertraute nur sich selbst.
    Wie viele Bücher waren über sie beide geschrieben worden? Wie viele Lieder wurden verfasst - angefangen bei den Barden der damaligen Zeit, bis hin zu den zeitgenössischen Musikern, die von dem einen Thema einfach nicht lassen konnten: Die Tafelrunde!
    Merlin ließ die nächste Schmerzwelle über sich ergehen, dann gab er den Versuch auf, den regenerierenden Schlaf, aus dem er vor Kurzem aufgewacht war, wieder herbeiführen zu wollen. Wenn er kam, dann von ganz alleine - oder überhaupt nicht.
    Sally… kein Chronist hatte auch nur ein Wort über sie verloren, kein Liedtext erwähnte sie. Wie auch, denn wenn Merlin die schöne Bauerntochter getroffen hatte, dann waren die beiden rasch verschwunden - am Anfang meist in eine alte Scheune, später stets in Merlins Turm. Es war eine schweigsame Beziehung, die zwischen den beiden herrschte. Keine vornehmen Unterhaltungen, kein gekünsteltes Lachen, nein, das wollten beide nicht. Sie fielen einfach übereinander her, denn sie waren sich über die Art ihrer Zusammenkünfte einig. Beide wollten es so - und beide bekamen, was sie sich wünschten.
    Warum dachte er ausgerechnet jetzt an Sally? Sie war doch nur eine von ungezählten flüchtigen Beziehungen seines langen Lebens gewesen. Vielleicht war es der Bezug zu Artus, zu dem Menschen, der Merlins Tun und Planen so oft bestimmt hatte - und dem Begriff der Tafelrunde. Noch heute gab es im Volk der Briten nicht wenige Menschen, die fest davon überzeugt waren, dass er zurückkehren würde, der once and future king , doch Artus war gescheitert; schändlicher Verrat hatte ihn zu Fall gebracht.
    Die Tafelrunde - nur wenige wussten um deren wahre Bedeutung. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse musste entschieden werden, denn die Schicksalswaage neigte sich immer mehr in eine Richtung. In die falsche Richtung!
    Eine Entscheidung herbei führen - das war es, was der Wächter der Schicksalswaage von seinen Dienern forderte. Merlin war nur einer von vielen dieser Diener, doch von ihm erwartete man besonders viel. Niemand kannte die genaue Herkunft des Druiden, doch der Herr der Schicksalswaage war sich der Macht seines Dieners sehr wohl bewusst.
    Und doch bin ich gescheitert. Immer wieder. Drei Chancen - alle drei vertan. Was für eine Bilanz.
    Merlin versuchte sich zu entspannen, denn so verkrampft, wie er jetzt war, hatte er den Schmerzanfällen nichts entgegen zu setzen. Sie kamen jetzt in immer kürzer werdenden Abständen. Geburtswehen gleich. Doch er wusste, es waren Todeswehen, Wellen der Pein, die ein klares Urteil über den Magier sprachen. Die Regenerationskammer konnte keine Wunder vollbringen, und es hätte mehr als ein Wunder geschehen müssen, um die Lebenszeit des Alten Zauberers noch einmal entscheidend zu verlängern.
    Sein Ende war nah.
    Doch so durfte er nicht gehen, so konnte er einfach nicht gehen!
    Nicht, solange Lucifuge Rofocale noch existierte…
    ***
    Irgendwann in dieser Nacht erhob sich Professor Zamorra so leise wie nur eben möglich von seinem Bett. Geräuschlos legte er die zwei, drei Schritte bis zur Tür hinter sich, zumindest geräuschlos genug, um Nicole Duval nicht zu
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