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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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Publikum war, doch als ich mich auf den Weg zu einem Empfang machte, den die Studenten in der Redaktion der Zeitschrift gaben, wartete er auf mich, um mich zu begrüßen. Ich lud ihnein, mitzukommen. Auf unserem Weg zur Bow Street erzählte er mir begeistert, sogar überschwänglich von seiner und Lucys Italientour. Sie hatten Florenz und die umbrischen Städte »abgehakt«, danach Venedig, Padua und Rom, waren dann noch zwei Tage in Neapel geblieben und schließlich nach Paris zurückgefahren, wo sie sich getrennt hatten. Er nahm den Zug nach Le Havre und fuhr von dort aus mit seinem Studentenschiff zurück. Ihr Schiff ging eine Woche später von Cherbourg. Sie reiste erster Klasse auf der France, erzählte er . Glück hatte sie! Aber in Bristol, auf der Hochzeit ihres Bruders, kamen sie wieder zusammen. Dann fuhr sie nach Paris und Genf.
    Ich fragte, ob er etwas Neues von ihr gehört habe.
    Sie ist noch in Genf, antwortete er. Sie hat mir geschrieben, aber telefoniert haben wir nur ein paar Mal. Der Zeitunterschied ist ein Hindernis. Zu Weihnachten ist sie nicht nach Hause gekommen. Sie hat mir nie gesagt, was sie eigentlich in Genf macht. Wenn ich es schaffe, fahre ich gleich nach Semesterende zu ihr. In den Frühjahrsferien habe ich zu viel zu tun.
    Im Mai desselben Jahres – ich war noch nicht lange wieder in Paris – luden mich mein Freund Guy Seurat und seine Frau Elsa, eine Ärztin, ein, das lange Wochenende nach Himmelfahrt mit ihnen in ihrem Haus in Vaucluse, ein paar Kilometer außerhalb der kleinen Stadt Camaret-sur-Aigues, zu verbringen. Es stand in einem großen Garten und war bis ungefähr 1880 im Besitz von Guys Familie gewesen; danach war es in das Eigentum eines reichen Industriellen aus Marseille und seiner Erben übergegangen, die dem Anwesen Verbesserungen von derArt angedeihen ließen, wie sie viele vergleichbare französische Landsitze entstellt hatten. Guys Familie kaufte es nach 1930 zurück, und seit Guy es von einem unverheirateten Onkel geerbt hatte, mühte er sich heroisch und nicht ohne finanziellen Aufwand, das ursprüngliche Äußere wiederherzustellen, etwa den modernen Stuck zu entfernen und durch ein crêpi , einen Verputz aus Löschkalk in der für die Gegend typischen Farbe zu ersetzen. Er und Elsa übernahmen einen großen Teil der Arbeiten selbst und spannten Freunde ein, wann immer sich die Gelegenheit ergab, auch ich hatte einmal in meinen Osterferien bei ihnen Fensterläden abgeschliffen und angestrichen und auf der Fläche vor dem Haus das Gras gerodet, damit sie, wie im achtzehnten Jahrhundert, mit feinem Kies bedeckt werden konnte.
    Als ich am Spätnachmittag mit dem Auto aus Avignon eintraf, waren die anderen Gäste schon da: eine schwarzhaarige, sehr hellhäutige junge Frau von atemberaubender Schönheit und ein großer, schwerer Mann in einem Outfit – lindgrüne Leinenhosen und rotes seidenes Hemd mit Seidenhalstuch in Paisleymuster –, wie es französische Bourgeois von seiner Sorte für Wochenenden auf dem Land passend fanden und bei Sulka in der Rue de Castiglione kauften. Die beiden waren Bella und ihr Mann Marc de Clam, wie ich einen Augenblick später erfuhr. Himmelfahrt lag in diesem Jahr spät, und auf einen trockenen, sehr warmen Tag folgte eine so wunderbare provenzalische Nacht, dass man sich wünschte, der Morgen käme nie. Unter einem mondlosen Himmel verzehrten wir an einem Tisch auf Böcken ein spätes Abendessen, zubereitet von der Haushälterin und Köchin der Seurats, die zusammen mit ihrem Mann das Anwesenbewachte, wenn die Eigentümer nicht da waren, eine nicht zu unterschätzende Verantwortung in einer von Einbrechern geplagten Gegend. Ich saß neben Marc, der viel und ausschweifend redete. Der gescheiterte Putsch der Generäle, ein Versuch unzufriedener Offiziere, General de Gaulle abzusetzen, lag nur drei Wochen zurück; die OAS, der heimliche Helfer der Algérie Française, der Bewegung, die dafür eintrat, dass Algerien französisch blieb, hatte bereits Morde und Gewalttaten begangen. De Clam sympathisierte eindeutig, wenn nicht geradezu mit der OAS, so doch mit den pieds-noires , jenen nicht-muslimischen, zum Teil von französischen Kolonisten abstammenden Einwohnern Algeriens, die sich weigerten, das Land aufzugeben, da sie es für ihr Eigentum hielten. Meine Ansichten standen in diametralem Gegensatz zur Algérie Française und allem, was sie vertrat, aber ich widersprach ihm nicht. Ich fragte auch nicht, ob er mit Armand du Paty de Clam
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