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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Autoren: Louis Begley
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meisten davon natürlich auf der sicheren Seite, weil verheiratet, aber ich hatte nicht festgestellt, dass Lucy sich für irgendeinen von ihnen besonders interessierte. Sie spielte mit ihnen und ihren Ehefrauen Tennis im Doppel; sie ging zu ihren Partys und Essenseinladungen; aber hingezogen fühlte sie sich offenbar zu der anderen Gruppe der Amerikaner in Paris: den Schriftstellern, Malern und gelegentlichen Journalisten. Warum also dieser werdende Banker? Doch das ging mich nichts an. Wenn Lucy etwas mit diesem netten Jungen hatte, tant mieux ! Wahrscheinlich würde er eine schöne Zeit mit ihr erleben und das eine oder andere von ihr lernen. Ich mochte ihn ganz instinktiv, und ich gefiel mir in der Einbildung, dass wir alle drei, Lucy, Thomas und ich, in fine , um eine Wendung des Meisters zu gebrauchen, zur selben Welt gehörten, einer Welt ohne Klassenunterschiede, jener wunderbaren Welt, die Präsidenten der Universität Harvard traditionell bei jeder Abschlussfeier den Absolventen des College verhießen: die »Gesellschaft der gebildeten Männer und Frauen«. Beschwingt von diesen Gefühlen, lud ich Thomas und Lucy zu einer kleinen Party ein, die ich am folgenden Freitag in meiner Wohnung geben wollte.
    Ich hatte lange genug in Paris gelebt, um mich mit einer interessanten Gruppe französischer Literaten und Künstler anzufreunden, auch ein paar gute Musik- und Kunstkritiker gehörten dazu. Einige von ihnen hatte ich eingeladen, dazu ein paar Amerikaner, die für die New York Times , die Herald Tribune und Time arbeiteten. Franzosen und Amerikaner gaben sich kaum Mühe, einander kennenzulernen, aber das war nicht anders zu erwarten. Ich behielt Thomas im Auge. Zuerst blieb er an Lucys Seite, aber irgendwann schoben ihn amerikanische Journalisten, die sich um Lucy drängten, beiseite. Ich wollte schon zu seiner Rettung eilen, sah aber, dass keine Intervention nötig war. Er plauderte mit Guy Seurat, der ein Urenkel des post-impressionistischen Malers und mein bester Freund in Frankreich war. Ich gesellte mich kurz zu ihnen und fand Thomas’ Französisch etwas ungelenk, aber vollkommen ausreichend. Später sah ich, wie Guy ihn gerade einem Lektor bei Gallimard und dessen Frau, einer Professorin an der Sorbonne, vorstellte. Ich fand es gut, dass er mit dem französischen Kontingent Kontakt aufgenommen hatte. Mehrere der amerikanischen Gäste hatten etwas mit Lucy gehabt. Thomas konnte das nicht wissen, sie hatte ihm wohl kaum davon erzählt, aber solche Geschichten können sich in der Art offenbaren, wie ein Mann einen anderen taxiert, und das tut weh.
    Irgendwann vor dem Sommer traf ich Lucy auf einem Empfang der britischen Botschaft. Es war ein schöner milder Abend. Wir verabschiedeten uns gleichzeitig, und als sie mir sagte, sie wolle nach Hause, bot ich an, sie zu begleiten. Ich würde mich an der Haustür von ihr verabschieden und weiter zur Rue de Vaugirard laufen. Keine öffentliche Stätte, kein Stadtbild ist so großartig und beglückend wie das Ensemble der Place de la Concorde, mit der Seinebrücke zur Nationalversammlung, demBlick auf Notre Dame im Osten und Pont Alexandre II. und Trocadéro im Westen. Eine Weile genossen wir das Bild schweigend. Dann erzählte sie mir, dass sie und Thomas zusammen nach Italien reisen würden, sobald sein Militärdienst zu Ende war. Am zweiten Samstag im September werde ihr Bruder in Bristol heiraten. Natürlich werde sie dort sein. Nach der Hochzeit werde sie wahrscheinlich wieder nach Paris kommen. Sie hoffe, ich würde dann ebenfalls dort sein.
    Ich sagte, es sehe so aus, als sei die Sache zwischen ihr und diesem sehr netten Thomas ernst.
    Er liebt mich wirklich, antwortete sie. Ich denke, er braucht mich. Vielleicht brauche ich ihn auch.
    Im Februar des nächsten Jahres wurde einer meiner Romane in den Vereinigten Staaten publiziert, deshalb musste ich nach New York, um mit meinem Lektor und verschiedenen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Leuten im Verlag zu sprechen, meinen Agenten zu treffen sowie Lesungen und andere Werbeveranstaltungen zu absolvieren. Es tat gut, aus Paris wegzukommen. Der Konflikt über die Zukunft Algeriens spaltete Frankreich heftiger als alles seit der Dreyfus-Affäre. Gegen Ende meines Amerikaaufenthaltes hielt ich auf Einladung der Literaturzeitschrift des Harvard College einen Vortrag im Sanders-Auditorium in Cambridge. Er war gut besucht, und die Zuhörer waren angenehm enthusiastisch. Ich wusste nicht, dass Thomas im
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