Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachedurst

Rachedurst

Titel: Rachedurst
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
1. KAPITEL
    Als die Rancherin Opal Scarlett verschwand, trauerten nur ihre drei erwachsenen Söhne Arlen, Hank und Wyatt um sie und brachten ihren Verlust zum Ausdruck, indem sie mit Schaufeln aufeinander losgingen.
    Joe Pickett, Jagdaufseher in Wyoming, hätte den Funkruf fast überhört, der über den Notfallkanal kam. Er war auf der Bighorn Road Richtung Westen unterwegs, um seine 14-jährige Tochter Sheridan und deren beste Freundin Julie nach dem Schulsport nach Hause zu bringen. Die beiden plapperten ohne Unterlass und gestikulierten wild mit den Armen, sodass Joes Hund Maxine immer wieder erschrocken zusammenzuckte. Julie wohnte auf der Thunderhead Ranch, die sehr viel weiter von der Stadt entfernt lag als das Haus der Picketts.
    Joe schnappte beim Fahren Bruchstücke der Unterhaltung auf, konzentrierte sich aber auf das Funkgerät, das schwerfällige Brummen des Motors und die tanzenden Zeiger auf dem Armaturenbrett. Joe traute dem Wagen noch nicht, der ihm kürzlich zugeteilt worden war. Die Motorwarnleuchte ging dauernd an, und mitunter klopfte es unter der Haube, als würde Popcorn springen. Seine kostenbewussten Vorgesetzten hatten ihm dieses Fahrzeug aus Rache zugeteilt, nachdem sein letzter Pick-up bei einem Feuer in Jackson Hole ausgebrannt war. Zwar war die Federung hinüber, doch der Wagen hatte immerhin einen CD -Player – eine Seltenheit bei Staatsfahrzeugen. Die Musik für die Heimfahrt lieferte eine CD , die Sheridan für ihn aufgenommen hatte und auf der mit schwarzem Filzstift »Am Ball bleiben, Dad« stand. Zwei Tage zuvor hatte sie sie ihm nach dem Frühstück in die Hand gedrückt und gesagt: »Du musst dir diese neue Musik anhören, um den Durchblick nicht zu verlieren. Vielleicht hilft das.« In seiner Familie veränderte sich so manches. Seine Mädchen wurden älter. Joe stand nicht mehr nur unter der Fuchtel seiner Vorgesetzten, sondern verlor offenbar auch den Durchblick. Sein rotes Uniformhemd mit dem Schulterabzeichen der Jagd- und Fischereibehörde – einer Pronghorn-Antilope – und seine grüne Filson-Weste waren schlammverkrustet, weil er am Vormittag in den Bergen einen Reifen hatte wechseln müssen.
    Â»Ich glaube, Jarrod Haynes mag dich«, sagte Julie zu Sheridan.
    Â»Hör doch auf! Warum sagst du das? Du bist verrückt.«
    Â»Hast du nicht gemerkt, wie er uns beim Training beobachtet hat?«, fragte Julie. »Er ist geblieben, nachdem die Jungs fertig waren, und hat uns beim Laufen zugeschaut.«
    Â»Ich hab ihn gesehen«, erwiderte Sheridan. »Aber wie kommst du auf die Idee, dass er mich mag?«
    Â»Weil er dich die ganze Zeit angesehen hat. Sogar als sein Handy geklingelt hat, hat er dich beim Telefonieren nicht aus den Augen gelassen. Der ist scharf auf dich, Sherry.«
    Â»Ich wünschte, ich hätte ein Handy«, sagte Sheridan.
    Joe schaltete ab. Er wollte nichts von einem Jungen hören, der es auf seine Tochter abgesehen hatte. Das bereitete ihm Unbehagen. Und das Handy-Gerede ermüdete ihn. Er und Marybeth hatten Sheridan gesagt, sie kriege erst mit sechzehn eins, aber das hinderte die Tochter nicht daran, ständig mit Gründen zu kommen, warum sie jetzt eins brauche.
    In der gefühlsschwangeren Art von Teenagerinnen waren Sheridan und Julie unzertrennlich. Julie war rank und schlank, braun gebrannt, blond, hatte blaue Augen und entwickelte sich langsam zu einer jungen Frau. Sheridan war eine kürzer geratene Ausgabe von Julie, hatte aber die erstaunlichen grünen Augen ihrer Mutter. Die beiden waren jahrelang im gleichen Schulbus gefahren, und Sheridan hatte Julie verabscheut und gesagt, sie sei herrschsüchtig und arrogant und führe sich auf wie eine Prinzessin. Dann war irgendetwas geschehen, und die beiden Mädchen konnten seither kaum voneinander lassen. Es war nicht ungewöhnlich, dass sie abends drei Stunden lang miteinander telefonierten.
    Â»Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll«, sagte Sheridan.
    Â»Alle werden dich beneiden, wenn du mit ihm gehst«, gab Julie zurück.
    Â»Er kommt mir nicht besonders schlau vor.«
    Julie verdrehte lachend die Augen. »Na und? Er ist fantastisch.«
    Joe schrak innerlich zusammen und hätte diese Bemerkung gern überhört.
    Vormittags hatte er in den mit Buschwerk bewachsenen Gebirgsausläufern patrouilliert. Obwohl die Jagdzeit für Truthähne noch nicht beendet war,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher