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Tempelhyänen

Tempelhyänen

Titel: Tempelhyänen
Autoren: Glen Cook
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1. Kapitel
     
    Es wurde wohl wieder Zeit. Ich war unruhig. Die Hundstage standen vor der Tür. In dieser Jahreszeit verfällt mein Körper unheilbar der Faulheit, aber mein Geist fordert Aktivität – eine grausame Kombination. Bis jetzt lag die Faulheit eine Nasenlänge vorn.
    Ich heiße Garrett. Mein Steckbrief: Anfang Dreißig, einssiebenundachtzig, hundert Kilo Kampfgewicht, Ex-Marine – in jeder Hinsicht ein lustiger Kerl. Gegen Geld spüre ich alles mögliche für Sie auf oder schaffe Ihnen Ärger vom Hals. Ich bin kein Genie. Den Job packe ich nur, weil meine Sturheit mich daran hindert, aufzugeben. Mein Lieblingssport sind Frauen, und mein bevorzugtes Nahrungsmittel ist Bier. Mein Stützpunkt ist mein eigenes Haus in der Macunado Street, ungefähr auf halber Strecke zwischen der Oberstadt und dem Hafenviertel, mitten in TunFaire.
    Ich teilte mir gerade mit meinem Freund Lou Latsch ein flüssiges Mittagessen, und wir plauderten über Gott und die Welt, genauer: über Religion. Da weckte eine Besucherin meinen sportlichen Ehrgeiz.
    Sie war blond und groß und hatte die zarteste Haut, die mir je unter die Augen gekommen ist. Ihr Parfüm war ungewöhnlich, und ihr Lächeln machte deutlich, daß sie alles und jeden durchschaute. Garrett, so schien es, war für sie nur ein Stück Kristall. Sie wirkte verängstigt, aber nicht eingeschüchtert.
    »Ich glaub, ich hab mich grade verknallt«, raunte ich Lou Latsch zu, während der alte Dean sie in meinen Sarg von einem Büro führte.
    »Schon das dritte Mal in dieser Woche.« Lou Latsch leerte seinen Humpen mit einem Zug. »Laß das bloß Tinnie nicht spitzkriegen.« Er stand auf. Und stand auf. Und stand immer noch auf. Das dauerte bei ihm etwas, denn er ist ungefähr drei Meter groß. »Irgend jemand muß ja arbeiten.« Dean, die Blonde und er eierten einen Moment in einem grotesken Tanz umeinander herum, während er versuchte, aus meiner Hutschachtel zu hüpfen.
    »Bis später.« Wir hatten uns köstlich über die neuesten Skandale amüsiert, die die Religionsindustrie TunFaires erschütterten. Lou Latsch hatte früher einmal mit dem Gedanken gespielt, dort ebenfalls zu investieren, aber glücklicherweise war es mir gelungen, eine alte Schuld für ihn einzutreiben. Mit dem Geld hatte er sich im Mietstall-Geschäft halten können.
    Ich begutachtete die Blondine. Sie erwiderte den Blick. Was ich sah, gefiel mir. Blondie hatte offensichtlich gemischte Gefühle. Die Pferde scheuen zwar nicht gleich, wenn ich vorbeigehe, aber im Laufe der Jahre habe ich soviel Schläge eingesteckt, daß man meinem Gesicht einen gewissen verbeulten, rauhen Charme nicht absprechen kann.
    Sie lächelte immer noch auf diese rätselhafte Art. Fast hätte ich mich umgedreht und über die Schulter nach hinten gesehen, ob da was auf mich zukam.
    Dean wich meinem Blick aus und machte einen schnellen Abgang. Dabei murmelte er was von irgendwelchen Pflichten und daß Lou Latsch nicht vergaß, die Vordertür hinter sich zuzumachen. Eigentlich sollte Dean niemanden reinlassen. Es könnten ja Klienten sein, und das bedeutete Arbeit für mich. Blondie mußte ihn wirklich mit ihrem Charme so richtig um ihren schlanken Finger gewickelt haben.
    »Ich bin Garrett. Setzen Sie sich.« Um mich einzuwickeln, mußte sie sich nicht besonders anstrengen. Sie hatte etwas an sich, das man nicht mit Schönheit oder Stil erklären konnte. Es war eine Aura, eine Präsenz. Sie war eine dieser Frauen, die Eunuchen zum Heulen bringen können und Priester dazu treiben, ihre Schwüre zu verfluchen.
    Sie drapierte sich auf Lou Latschs Stuhl, stellte sich aber nicht vor. Allmählich ließ ihre Wirkung etwas nach. Ich spürte die Eiseskälte hinter ihrer wunderschönen Larve. Hallo, war dahinter jemand zu Hause?
    »Tee? Brandy? Miss …? Vielleicht rückt Dean ja noch einen Schluck TunFaire Gold raus, wenn wir ihn schön artig bitten.«
    »Sie erinnern sich an mich, oder?«
    »Nein. Sollte ich das?«
    Ein Mann, der eine solche Frau vergaß, mußte tot sein. Aber ich schluckte diese Bemerkung lieber runter. Ich erschauerte, als ich sie ansah, und dieses Erschauern hatte nichts mit Lust zu tun. Es war eher ein Frösteln.
    »Es ist schon sehr lange her, Garrett. Das letzte Mal habe ich Sie gesehen, als ich neun war und Sie zu den Marines gegangen sind.«
    Mein Erinnerungsvermögen, was Neunjährige angeht, ist bei weitem nicht so gut ausgeprägt wie das für – sagen wir –Zwanzigjährige. Bei mir klingelte nichts, wohl
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