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Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Titel: Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt
Autoren: Manfred Scherrman
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wie meine große Schwester. Dass mein Vater mal mit mir zufrieden gewesen wäre, darankann ich mich nicht erinnern. Die ständige Abwertung war das eigentlich Schlimme, ich galt überhaupt nichts.«
    Solche Verletzungen heilen oft nur unvollständig. Die vernarbten Stellen bleiben auf Dauer empfindlich oder brechen bei entsprechenden Anlässen wieder auf. Das ist nach den Erkenntnissen der neueren Gehirnforschung auch kein Wunder. Dem Hirnforscher Gerald Hüther zufolge sind die frühen Erfahrungen eines Kindes besonders fest und tief im Hirn verankert, besonders wenn sie sehr intensiv waren, wenn sie sozusagen unter die Haut gegangen sind. Dann schleppen Menschen sie sehr lange mit sich herum.
    Wenn es zu den negativen Kindheitserlebnissen mit den Eltern kein Gegengewicht gibt durch entsprechende positive Erfahrungen, fühlt sich das Kind ungeliebt. »Meine Eltern haben mich nicht geliebt«, diese Kurzfassung des kindlichen Erlebens hören wir häufig. Manchmal bezieht sich diese Aussage nur auf den Vater oder nur auf die Mutter, zum anderen Elternteil hin fühlt es sich besser an. Doch der Schmerz wird dadurch allenfalls etwas gemildert, nicht aber aufgehoben.
    Eine besondere Problematik haben oft die Kinder, die sich als »eigentlich nicht erwünscht« bezeichnen. Die Schwangerschaft war nicht geplant, sondern war ein sogenannter Unfall; die Eltern wollten gar kein Kind und »mussten« heiraten. Oder: »Eigentlich hätten die Eltern nach drei Jungen ein Mädchen gewollt, und jetzt – ein Nachkömmling und wieder ein Junge.« Für viele ist es schlimm, wenn sie erfahren, dass an Abtreibung gedacht worden war oder dass sie einen Abtreibungsversuch überlebt haben. Sie erleben sich als unerwünscht und können es nicht glauben, wenn ihnen später gesagt wurde, natürlich seien sie dann doch willkommen gewesen. Besonders wenn die Ehe der Eltern nicht glücklich ist, fühlen sie sich schuldig und als Last.Von einer schlimmen Kindheit berichten auch Erwachsene, die »eigentlich« eine ganz liebe Mutter und/oder einen ganz lieben Vater hatten, bei denen aber die familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse so schwierig waren, dass von einer glücklichen Kindheit nicht die Rede sein kann. Aus unterschiedlichen Gründen gab es häufig Streit zwischen den Eltern: Der Vater hat getrunken; die Mutter konnte nicht mit dem ohnehin knappen Geld umgehen; die Familie wohnte im Haus der Großeltern, diese mischten sich ständig ein. Oder die Eltern lebten nebeneinanderher, es wurde nicht viel geredet, es herrschte eine unpersönliche oder bedrückende Atmosphäre. Und wenn überhaupt gesprochen wurde, ging es meistens ums Geld.
    In anderen Familien bestimmte Krankheit den Alltag, wie bei Frau B.: »Meine Mutter war ständig krank. Wenn ich darüber nachdenke, kenne ich sie eigentlich nur krank. Ich hatte schon als Kind den Eindruck, sie hat sich in ihre Krankheit geflüchtet. Sie war nach allem, was ich weiß, ein verzärteltes Einzelkind, und durch ihr ständiges Kranksein drehte sich alles um sie. Ich hatte einerseits Mitleid mit ihr, wenn es ihr so schlecht ging, andererseits war ich aber auch wütend auf sie.«
    In der Familie von Herrn D. stand der jüngste Bruder immer im Mittelpunkt, der durch eine leichte geistige Behinderung besondere Aufmerksamkeit brauchte. Die älteren Geschwister wurden einerseits in die Betreuung eingespannt, waren sich aber andererseits weitgehend selbst überlassen.
    »Wir waren nie eine richtige Familie«, so lautet das Lebensthema vieler Erwachsener, die nicht mit beiden leiblichen Elternteilen aufgewachsen sind. Der Bericht von Frau Z. ist typisch: »Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich klein war. Ich bin bei der Mutter geblieben und hatte kaum Kontakt zu meinem Vater. Es gab auch nach der Trennung ständig Zoffzwischen den Eltern, ums Geld und um die Besuchsregelung. Mit meinem Stiefvater, den es dann irgendwann gab, habe ich mich einigermaßen verstanden, aber eine richtige Familie waren wir nicht.«
    Ähnlich empfinden das auch Erwachsene, die zu einer Zeit, in der dies noch ein Makel oder zumindest noch nicht üblich war, unehelich geboren wurden und von Geburt an nur mit ihrer Mutter plus eventuell Großeltern zusammenlebten. Zu einer »richtigen« Familie gehörte einfach ein Vater dazu, so wie bei den meisten anderen Kindern.
    Manchen ging es wie Herrn T.: »Kurz bevor ich in die Schule kam, hat meine Mutter meinen Vater und mich und meinen jüngeren Bruder verlassen und
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