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Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt

Titel: Endlich in Frieden mit den Eltern - und frei für das eigene Leben - Was Menschen bewegt
Autoren: Manfred Scherrman
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ist zu einem anderen Mann weit weggezogen. Jahrelang hat sie sich dann nicht mehr um uns gekümmert. Die Hintergründe habe ich erst viel später erfahren. Bei uns im Dorf wurde über uns viel geredet, und die Leute haben uns mitleidig angesehen. Mein Vater hatte noch lange die Hoffnung, dass meine Mutter zurückkommen würde, und hat versucht, zusammen mit der Oma eine gewisse Normalität herzustellen. Aber normal war unsere Familie für mich nicht.«
    Es gibt noch viele weitere Gründe, weshalb Menschen mit ihrer Kindheit hadern, egal ob die Familie vollständig war oder nicht. Öfter als man denkt, schämen sie sich ihrer Eltern: Der Vater war ungelernter Arbeiter, hatte nach dem Krieg nicht mehr richtig Fuß gefasst; der Großvater mütterlicherseits war strammer Nazi; die Mutter war Deutsche aus Bessarabien, zeit ihres Lebens blieb sie ihrer einfachen bäuerlichen Herkunft verhaftet; der Vater war immer wieder in der Psychiatrie; die Mutter hatte massive Alkoholprobleme; der Vater hatte den Familienbetrieb gegen die Wand gefahren. Auch das Umgekehrte haben wir erlebt: Kinder schämen sich ihrer »guten Herkunft« oder des Reichtums ihrer Familie.Manche haben sich nie als wirklich zur Familie gehörig gefühlt. Irgendetwas stimmte da nicht, entweder mit ihnen selbst oder mit der Familie. Sie waren so ganz anders als die Geschwister, die offenbar keine Probleme mit den Eltern hatten und auch sonst gut funktionierten. Außer ihnen stellte keiner den Eltern unbequeme Fragen zu Nazizeit und Weltkrieg, und nur sie fanden es seltsam, dass es zur väterlichen Verwandtschaft keinen Kontakt gab. Offenbar gab es Tabus und Familiengeheimnisse, und es war besser, nicht daran zu rühren.

Alt werden ist unvermeidlich,
    erwachsen werden freiwillig.
    Donna Hedges
    Immer noch das Kind
    Laut Gesetz werden Jugendliche in Deutschland mit 18 Jahren volljährig. Der 18. Geburtstag ist daher ein ganz besonderer. Er wird entsprechend gefeiert, Eltern oder Großeltern setzen Gratulationsanzeigen in die Zeitung – endlich erwachsen! Das ist die eine Seite.
    Die andere Seite ist nicht so einfach. Für die Eltern sind sie weiter das Kind, und auch viele junge Menschen selbst halten sich für noch nicht so richtig erwachsen. Sich auf einen Schlag erwachsen fühlen und von heute auf morgen auch so behandelt werden, das funktioniert nicht. Doch es ist natürlich ein Unterschied, ob man selbst von sich sagt, man sei noch nicht so ganz erwachsen, oder ob man von den Eltern weiter als Kind behandelt wird. Und wenn das dann nach Jahrzehnten immer noch geschieht, ist das verständlicherweise ein Ärgernis für die meisten erwachsenen Kinder. Oft gibt es dann Streit, oder es herrscht eine Zeit lang Funkstille. Irgendwann wird derKontakt wieder aufgenommen, und wieder läuft derselbe Film ab.
    Viele Erwachsene, die von ihren Eltern nach wie vor als Kind behandelt werden, stellen fest: Im Grunde sind die Eltern sich treu geblieben. Auseinandersetzungen gab es schon immer. Die Mutter wusste schon immer, was am besten für alle war. Der Vater hatte schon immer feste Vorstellungen, wie die Kinder zu sein hatten. Und beide waren seit jeher eher besorgt und ängstlich. Doch irgendwann muss ja Schluss sein mit dem Sich-Sorgen und der Bevormundung! Warum nur können die Eltern es nicht lassen? Hört das denn nie auf? Sie hätten doch allen Grund, mit dem erfolgreichen Sohn zufrieden zu sein! Sie könnten sich doch endlich etwas zurücklehnen und genießen! Warum nur geht das nicht?
    Warum-Fragen stellen sich auch diejenigen erwachsenen Kinder, die bezüglich ihrer Eltern ganz andere Wünsche haben: Sie selbst hätten gerne mehr Kontakt, aber ihre Eltern kümmern sich wenig oder gar nicht um sie. Jegliches Interesse scheint zu fehlen, die Eltern leben ihr eigenes Leben. Von selbst melden sie sich nur ausnahmsweise, Besuche hinüber und herüber finden höchst selten statt, meist nur bei offiziellen Anlässen wie runden Geburtstagen.
    In manchen Fällen gibt es handfeste Gründe für seltene Kontakte: Die Eltern sind schon gebrechlich und vollauf damit beschäftigt, ihren Alltag auf die Reihe zu bringen. Selbst zum Hörer zu greifen kommt ihnen nicht in den Sinn, und Schreiben geht schon gar nicht. Oder die Eltern sind beide noch berufstätig, zudem gibt es noch den pflegebedürftigen Vater der Mutter. Schwierig wird es in solchen Fällen meist dann, wenn die Zuwendung der viel beschäftigten Eltern unterschiedlich verteilt wird: Für das eine Kind haben sie
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