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Ella in der zweiten Klasse

Ella in der zweiten Klasse

Titel: Ella in der zweiten Klasse
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Der erste Schultag

    Ich heiße Ella. Ich gehe jetzt in die zweite Klasse, so wie alle meine Freunde. Auch unser Lehrer ist noch dabei und Pekka, der immer seltsame Fragen stellt.
    »Ist das hier nicht die Universität?«, wollte Pekka gleich am ersten Tag von unserem Lehrer wissen.
    Aber der Lehrer antwortete nicht.
    »Wozu geht man ein ganzes Jahr in die Schule, wenn man dann doch nicht auf die Universität kommt?«, setzte Pekka nach.
    Aber der Lehrer antwortete immer noch nicht. Er zählte nur ganz ruhig die bunten Glasperlen an einem Lederbändchen, das wir vor den Ferien noch nicht bei ihm gesehen hatten. Später erfuhren wir, dass es ihm der Schularzt verschrieben hatte.
    »Bekommen wir dann wenigstens Geld dafür, dass wir schon in die zweite Klasse gehen?«, fragte Pekka.
    Wir fanden es alle toll, dass die Schule wieder anfing und wir wieder zusammen waren. Alle hatten in den Ferien spannende Sachen erlebt.
    Unser Lehrer hatte im Sommer seine innere Ruhe wiedergefunden. Das glaubten wir jedenfalls – bis ihm beim Mittagessen im Speisesaal das Perlenbändchen riss.
    Timo hatte sich im Sommer einen Schnurrbart wachsen lassen. Das glaubten wir jedenfalls – bis ihm der Schnurrbart in den Gemüseeintopf fiel.
    Mika hatte im Sommer einen schönen Aktenkoffer bekommen. Das glaubten wir jedenfalls – bis die Direktorin mitten in der Stunde ins Klassenzimmer kam und ihn sich zurückholte.
    Hanna hatte im Sommer einen echten Diamanten gefunden. Das glaubten wir jedenfalls – bis er ihr auf den Boden fiel und in winzige Stücke zersprang.
    Tiina war im Sommer taub geworden. Das glaubten wir jedenfalls – bis die Köchin fragte, wer noch ein zweites Eis haben will.
    Ich hatte im Sommer gelernt, Sachen fortzuzaubern. Das glaubten jedenfalls die anderen – bis Pekkas zweites Eis hinten in meiner Jeans zu schmelzen anfing.
    Pekka war im Sommer Professor geworden und einen ganzen Meter gewachsen. Das glaubte er jedenfalls – bis wir ihm erklärten, dass man in der Schwimmschule keinen Abschluss als Professor bekommt und dass ein Zentimeter ein bisschen weniger als ein Meter ist.
    In der letzten Stunde am ersten Tag bekamen wir dann ein neues Schulfach. Keiner verstand, worum es ging, aber es war alles unheimlich spannend.
    »Schließt die Augen und atmet gaaanz ruhig!«, sagte der Lehrer am Anfang der Stunde.
    Da schlossen alle die Augen, außer dem Lehrer, der die Perlen wieder auf das Lederbändchen fädelte, das ihm beim Mittagessen abgerissen war. Das sahen wir, weil wir natürlich alle spickten.
    »Jetzt stellt euch vor, ihr seid in einem stillen Wald, und in den Wipfeln der Bäume säuselt leise der Wind«, fuhr der Lehrer fort.
    Wir stellten es uns vor, wie lange es wohl dauern würde, bis ihm die Perlen wieder runterfielen. Man sah nämlich deutlich, dass seine Hände zitterten.
    »Ihr seid tief, gaaaanz tief im Wald, und ihr habt im Waldboden Wurzeln geschlagen. Ihr seid die größten Bäume im ganzen Wald«, sagte der Lehrer.
    Nur noch zwei Perlen.
    »Ihr habt die Wurzeln im Boden, und ihr schlaft tief und fest. Es ist still und ruhig. Nichts bewegt sich. Niemand bewegt sich, alle haben ihre Augen fest geschlossen, und wer sich trotzdem bewegt, muss nachsitzen«, säuselte der Lehrer.
    Nur noch eine Perle. Sie war grün. Der Lehrer nahm sie mit Daumen und Zeigefinger vorsichtig aus der kleinen Schachtel, in die er sie im Speisesaal eingesammelt hatte. Wir sahen, wie seine Hände zitterten. Wir waren gespannt. Der Lehrer führte die Perle zum Ende des Lederbändchens. Im Wald bewegte sich kein Blatt. Dann läutete die Schulglocke.
    »Ihr seid Bäume!«, schrie der Lehrer, der vor Schreck die letzte Perle fallen gelassen hatte.

    Na schön, dann waren wir eben achtzehn Bäume, die dem Lehrer halfen, seine Perle wiederzufinden. Nur dass wir ja die Augen nicht aufmachen durften, machte alles ein bisschen kompliziert. Es gab ganz schön viel Geknuffe und Geschubse in dem Wald, in dem es angeblich so still und ruhig sein sollte.
    Mika hat die Perle dann gefunden, aber das fanden wir nicht fair, weil er bestimmt gespickt hatte. Und sowieso hätte er sie nicht gefunden, wenn er nicht draufgetreten wäre. Hinterher waren es zwei halbe grüne Perlen statt einer ganzen, aber als Mika sie dem Lehrer brachte, lächelte der trotzdem, und wir wunderten uns.
    »Geschafft!«, rief der Lehrer. Dann sprang er auf und tanzte herum und schlenkerte das Lederbändchen durch die Luft. Tatsächlich waren, außer der grünen,
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