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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn
Autoren: Susanne Gerdom
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zwischen den Bäumen.
    Rutaaura schlenderte den Pfad entlang, der zur Mitte des Sommerpalastes führte. Hin und wieder trat sie in den Schatten eines Baums, wenn jemand ihren Weg kreuzte, und wartete, bis er vorüber war. Sie erreichte die ersten Hausbäume, zwischen denen immer noch Soldaten unterwegs waren. Unter einer Linde setzte sie sich einen Moment ins Gras und betrachtete die Umgebung. Es war erstaunlich ruhig und friedlich, und es roch gut nach dem sie umgebenden frischen Grün. Sie lehnte sich gegen den Baumstamm und lächelte.
    »Du siehst ausgesprochen zufrieden aus«, hauchte ihr jemand ins Ohr. Rutaaura zuckte ein wenig zusammen, aber sie hatte die Stimme erkannt und drehte sich deshalb nicht um.
    »Was machst du hier?«, fragte sie.
    Schneegeflüster lachte leise. »Ich sehe zu, dass ich mit heiler Haut wieder herauskomme«, sagte er seltsam vergnügt. »Es ist alles komplett schiefgelaufen – aber das gehört zum Spiel.« Rutaaura sah ihn jetzt doch an. Sein schmales dunkles Gesicht strafte die Leichtigkeit seines Tons Lügen, es wirkte angespannt, und um den Mund lag ein bitterer Zug der Enttäuschung.
    »Wir werden Frieden miteinander schließen«, sagte Rutaaura. »Unser Volk wird hierher zurückkehren können – bald. Bist du nicht zufrieden damit?«
    Er betrachtete seine Hände. An einem Finger steckte ein großer Smaragdring, den Rutaaura vorher nicht an ihm bemerkt hatte. Dann schüttelte er schwach den Kopf.
    »Ich bin nicht zufrieden«, flüsterte er. »Ich habe mir etwas anderes gewünscht. Vielleicht … Rache?«
    Rutaaura sah ihn lange an. »Das ist kein guter Antrieb«, sagte sie schließlich. »Wenn alles wieder zusammenwächst und kein Kind mehr bei Menschen aufwachsen muss – ist das nicht besser als Rache?«
    Er erwiderte nichts darauf. Sein Blick prüfte ständig die Umgebung, als warte er auf etwas oder jemanden. Dann wandte er sich mit einer jähen Bewegung zu ihr und küsste sie auf die Lippen. »Später – gerne«, flüsterte er. »Du erinnerst dich?« Er stand mit einer fließenden Bewegung auf und verschwand lautlos im Gebüsch.
    Rutaaura saß noch eine Weile sinnierend dort unter dem Baum, dann machte sie sich auf den Weg, den Lootana ihr beschrieben hatte. Vor Glautas’ Haus stand zwar eine Gardistin, die große Augen machte, als sie Rutaaura erblickte, aber anscheinend war sie avisiert worden, denn die Gardistin ließ sie eintreten.
    Drinnen herrschte helle Aufregung. Soldaten liefen durch die Gänge, sie schienen das Haus zu durchsuchen. Bedienstete standen mit verwirrten und erschreckten Gesichtern herum und schienen nicht zu wissen, was sie tun sollten.
    Rutaaura ging weiter ins Innere des Hauses, und als sie sich gründlich verlaufen hatte, fragte sie eine Dienerin, die weinend in einer Türöffnung stand, nach dem Weg zu Iviidis’ Räumen. Die Dienerin deutete schniefend den Gang hinunter und schluchzte: »Die dritte Tür auf der Innenseite.«
    Rutaaura zögerte, wollte sie fragen, was geschehen war, aber die Frau war schon wieder verschwunden.
    Das Zimmer, das sie ihr gewiesen hatte, war leer. Das Bett sah zwar aus, als hätte gerade jemand darauf gelegen, aber sonst fand sie sich alleine. Rutaaura wandte sich um, um wieder hinauszugehen, und stieß mit Olkodan zusammen. Er sah genauso erschüttert aus wie alle anderen, auf die sie hier getroffen war.
    »Was ist denn geschehen?«, fragte sie.
    »Glautas ist tot«, sagte er heiser. »Broneete hat ihn gefunden, als sie Zinaavija herbrachte. Die Wache vor seinem Zimmer hat es nicht bemerkt.«
    »Ermordet?«, fragte Rutaaura. Ihr wurde kalt.
    Iviidis, die gerade eintrat, sagte: »Es gab keine Anzeichen von Gewalt, aber ich gehe davon aus, dass er ermordet wurde. Sein Ring ist fort.« Ihr Gesicht war grimmig. »Und der Dunkle, der hier war, ist ebenfalls nicht mehr im Haus, jedenfalls haben wir ihn noch nicht gefunden. Seinen verwundeten Freund schon, aber der ist jetzt ebenfalls tot.«
    »Ein Ring …«, sagte Rutaaura. »Recht groß, ein Smaragd?«
    Iviidis zuckte zusammen. »Wo hast du ihn gesehen?«
    Rutaaura biss die Zähne zusammen. »Dieser … also hat er doch seine Rache bekommen!« Sie berichtete von Schneegeflüster.
    Iviidis ließ sie nicht ausreden, sondern stürmte aus dem Raum und rief nach Broneete.
    Rutaaura und Olkodan sahen sich an.
    »Ein schlimmer Tag«, sagte er sanft. »Ich hätte mir gewünscht, dich unter besseren Bedingungen kennenzulernen.«
    »Ich auch«, erwiderte Rutaaura. »Aber was
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