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Elbenzorn

Elbenzorn

Titel: Elbenzorn
Autoren: Susanne Gerdom
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rücken, lächelte etwas unbehaglich zurück.
    »Seit wann weißt du es schon?«, fragte der Zwerg Iviidis. Olkodan schnaubte leise und sah ebenfalls seine Frau an.
    »Wie meinst du das?«, fragte sie ausweichend.
    »Als deine Mutter zu diesen Waffenschränken sagte, du seist die Herrscherin, warst du nicht besonders überrascht«, antwortete Olkodan an Trurres Stelle.
    Iviidis verzog das Gesicht. »Alvydas hat es mir in der Hütte gesagt«, erwiderte sie. »Während ihr draußen Wache gehalten habt, hat er mir einen Vortrag über meine Pflichten gehalten, obwohl er sich kaum noch auf dem Stuhl halten konnte.« Sie schnaufte erbost. »Nicht, dass er mir in dieser Sache eine Wahl gelassen hätte. In dem Moment, da ich seine Erinnerungen aufgenommen habe, war mein Schicksal schon besiegelt. Seit Urzeiten erwählt Alvydas die Könige, und wenn er jemanden dazu ausersehen hat, gibt es kein Entkommen mehr.«
    Trurre zwinkerte und sah Olkodan an. »Dich hat sich der alte Mann anscheinend auch vorgenommen, habe ich recht?«
    Olkodan lachte und hob die Hände. »Mir schwirrt der Kopf«, gab er freimütig zu. »Trurre, mein Freund – was rätst du uns?«
    Der Zwerg riss die Augen auf. »Ich? Wer bin ich, dass ich dem jungen Königspaar der Goldenen Elben etwas raten könnte?« Er stand ein wenig schwerfällig auf. »Darf ich euch um einen Schlafplatz bitten?«, fragte er demütig. »Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal meinen Kopf auf ein Kissen gelegt habe. Ganz zu schweigen davon, einfach nur die Augen zu schließen und endlich mal wieder ein wenig in Orrins Bart zu schaukeln.« Wie zur Bekräftigung gähnte er herzzerreißend.
    Olkodan stand auf und nahm Iviidis das Kind ab. »Ich bringe dich nach Hause.« Er sah Iviidis fragend an, und sie erhob sich mit einem langen Seufzer. Sie schob ihren Arm unter den ihres Mannes. »Gehen wir. Alles andere kann jetzt warten.«

35
    R utaaura hüllte sich auf ihrem Weg zum Archiv in magischen Nebel. Es war zwar heller Tag, was die Ablenkung immer etwas erschwerte, aber wegen der erschreckenden Vorfälle waren wenige Elben unterwegs, und die, die sie trafen, hatten die Blicke gesenkt und hasteten an ihnen vorüber, ohne ihnen Aufmerksamkeit zu schenken.
    Rutaaura hätte sich gerne ein wenig umgesehen – hier war sie nun, im Herzen des Wandernden Hains, etwas, worauf sie kaum jemals zu hoffen gewagt hatte –, aber Lootana trieb sie zur Eile an. Sie war sichtlich besorgt wegen des Elben, zu dem sie nun unterwegs waren, das war deutlich.
    »Wer ist dieser Alvydas?«, fragte Rutaaura.
    Lootana verlangsamte ihre Schritte nicht. »Er ist der wertvollste Besitz unseres Volkes«, gab sie zurück. »Und ein Freund.«
    Rutaaura zog die Brauen zusammen. Die Formulierung erschien ihr eigenartig. Wie konnte jemand der »wertvollste Besitz seines Volkes« sein?
    »Da sind wir«, sagte Lootana endlich.
    Sie standen vor dem Archivbaum, und Rutaaura blickte mit einem Pfiff an ihm empor. »Beeindruckend«, sagte sie.
    Sie kletterten schweigend und schnell durch das Geäst und turnten an den Seilbrücken entlang, bis sie schließlich den Eingang in den Baum erreichten. Lootana entzündete einen Elbenfunken und ging voran, und Rutaaura folgte ihr staunend. »Alvydas?«, rief Lootana, als sie vor dem Eingang zu seiner Höhle standen. Als keine Antwort kam, blickte sie ihre Tochter besorgt an und ging hinein.
    Es war dunkel im Raum. An einer Wand glomm ein rötlicher Funken, der nur schwach seine Umgebung erhellte. Lootana ging durch das leere Gemach und betrat den Nebenraum. Rutaaura hörte sie einen gedämpften Laut des Erstaunens ausstoßen. Sie folgte ihrer Mutter und blickte auf das, was Lootana entdeckt hatte. Auf einem schmalen Lager ruhte ein ausgezehrt wirkender Elb, dessen haarloser Schädel im Dämmerlicht bleich leuchtete. Sein eingefallenes Gesicht war der Tür zugewandt, und eine seiner schmalen Hände umklammerte die dunklen Finger Windgesangs, die neben dem Bett in einem Lehnstuhl hockte und zu schlafen schien.
    Lootana hockte sich neben die Älteste und rührte sanft an ihre Schulter. Windgesang schlug die Augen auf und sah Lootana hellwach an. Sie lächelte und legte den Finger auf die Lippen. Dann löste sie vorsichtig Alvydas’ Griff um ihre Hand und erhob sich.
    »Ich bin wach«, sagte der alte Elb, ohne die Augen zu öffnen. »Wer ist da gekommen?« Seine Stimme war kaum zu vernehmen.
    »Ich bin es«, sagte Lootana. »Der Zwerg sagte uns, dass es dir schlecht
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