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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand
Autoren: Lindsey Davis
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fand auf dem Exerzierplatz statt, der im Gegensatz zu einem anständigen Amphitheater keine übersichtlichen Ausgänge besaß. Die wenigen Damen der römischen Gesellschaft, die teilnahmen, wurden auf einem mit gelber Seide verkleideten Podium plaziert, wo zwölftausend Mann sie mit begehrlichen Blicken anstarrten. Schmeichelhaft für eine Frau, die so was mag; ich kannte zumindest eine, der diese Fleischbeschau zuwider war.
    Die Festlichkeiten würden den ganzen Tag dauern. Ich brauchte allerdings nur bis zur offiziellen Übergabe der Eisenhand zu bleiben. Sobald das überstanden war, wollte ich Helena meinen Spruch aufsagen – vorausgesetzt, ich konnte mich bis zu ihr durchkämpfen – und dann einen diskreten Abgang machen.
     
    Tatsächlich nahmen beide Legionen an der Parade teil, was den Aufmarsch natürlich in die Länge zog. Ich habe solche Demonstrationen militärischer Stärke nie für unterhaltsames Theater gehalten, selbst dann nicht, wenn die Akteure in Galauniform und mit wippendem Federbusch am Helm auftreten. Hier hatten die Veranstalter obendrein noch das Orchester vergessen; alles, was sie aufbieten konnten, war eine eintönige Militärkapelle. Da man nun auch noch jede Formation zweimal vorgeführt bekam, damit beide Legionen dem Kaiser ihre Loyalität bekunden konnten, steigerte sich die Langeweile zur Folter. Ich war freilich schon vorher in denkbar trüber Stimmung gewesen.
    Dann begann es zu regnen.
    Das war der Moment, auf den ich gewartet hatte. Die Damen auf dem Podium stießen spitze Schreie aus, vor Angst, ihre Kleider könnten eingehen oder die Schminke würde verlaufen. Die Sklaven, die den schützenden Baldachin über ihnen hätten aufschlagen sollen, verhedderten sich hoffnungslos in den Schnüren. Ich sah Helena die Geduld verlieren – wie immer, wenn andere ein Chaos anrichteten und sie nicht einschreiten durfte. Sie würde es mir nachsehen, wenn ich die Situation rettete, also sprang ich aufs Podium, schnappte mir einen der Stützpflöcke und half den Sklaven, den Baldachin aufzuspannen.
    Die Damen, über die wir dieses schützende Dach hielten, waren die Frau des Legaten von der Vierzehnten, Mänia Priscilla, eine ältere und gesetztere Matrone, die offenbar die Mutterglucke der Ersten Adiutrix war, Helena Justina, eine Schulfreundin der Mutterglucke und Julia Fortunata. Vermutlich hatte man sie eingeladen, weil eine Dame ihres Ranges nicht einfach übergangen werden konnte, ihre Stellung im Leben des verstorbenen Gracilis andererseits aber nicht bedeutend genug gewesen war, um der offiziellen Witwe gefährlich zu werden. Jedenfalls machte Mänia Priscilla, die ganz in verführerischer weißer Trauer erschienen war, das Beste aus ihrer Rolle, und Julia ließ keine Gelegenheit aus, sie zu trösten und zu hätscheln. Das unehrenhafte Verhalten des verblichenen Legaten war zwar nicht öffentlich angeprangert worden, aber seine Damen hatte man immerhin unterrichtet, mit dem Resultat, daß keine von beiden sonderlich um ihn trauerte. Ich fand es erhebend, mit anzusehen, wie die Witwenschaft (oder deren Pendant) das Beste in beiden Frauen zutage förderte. Ihre Tapferkeit und Stärke waren bewundernswert.
    Es hörte auf zu regnen. Die Damen entspannten sich. Wir rollten den Baldachin ein, und dann schlich ich mich an Helenas Seite, um sofort zur Stelle zu sein, wenn das Wetterdach wieder gebraucht werden sollte.
    Mir war so, als ob die Tochter des Senators mir einen höchst eigenartigen Blick zugeworfen hätte.
    Unten auf dem Platz näherte sich das Schicksal allmählich dem Höhepunkt. Reiterkohorten sprengten in die Arena, um das Publikum mit einem Schaukampf zu unterhalten. Endlich konnte sich hier die Erste Adiutrix profilieren, denn die abtrünnigen Bataverauxilien der Vierzehnten waren noch nicht durch neue Hilfstruppen ersetzt worden. Die Kohorten der Ersten stammten, soweit man das bei ihrem phantasievollen Aufputz erkennen konnte, aus Spanien. Eine halbe Stunde lang erfüllte dieses noble Reiterkorps den zugigen Exerzierplatz mit Spannung, und als sie nach einem letzten bravourösen Gefechtslauf plötzlich und unvermittelt durch die weiten Tore zur Via Principia hin verschwanden, lief ein bedauerndes Raunen durch die Zuschauerreihen.
    Auf dem Podium wurden heiße Getränke serviert.
    Genau im rechten Augenblick.
     
    Ich überlegte traurig, ob ich Helena jetzt ansprechen sollte. Aber sie genoß gerade ihre Erfrischung, und so hielt ich es für besser, noch ein Weilchen zu
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