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Eisenhand

Eisenhand

Titel: Eisenhand
Autoren: Lindsey Davis
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fragen, wo sie denn diesen Jungen gesehen hätten.
    »In Augusta Treverorum.«
    Ich war entsetzt. »Was um alles in der Welt habt ihr denn da gemacht?« Meine Nichte sperrte den Mund auf und zeigte auf ein rotentzündetes Loch zwischen ihren Zähnen. »Na, na, ich kann ja dein ganzes Frühstück sehen! Also, bei wem wart ihr in Augusta Treverorum?«
    »Mars Lenus!« sagte sie in einem Ton, als hätte sie es mit einem Idioten zu tun.
    »Mars wer?«
    »Na, Mars, der Heiler«, erklärte Arminia.
    Das war ein schweres Stück Arbeit. Ich raffte mich auf, ein paar Lücken selbst zu füllen. »Augustinilla hatte Zahnweh, bevor ich weg mußte … ja, ich erinnere mich. Helena Justina wollte dich zu einem Schrein bringen deswegen, nicht wahr?«
    »Aber der Zahn ist schon vorher ausgefallen«, sagte Augustinilla. »Helena wollte trotzdem mit uns nach Augusta Treverorum.«
    »Ja, aber warum denn?«
    »Tapetenwechsel!« posaunten sie im Chor.
    »Ah, verstehe. Und habt ihr was Interessantes gesehen?« Nein. Helena hätte es mir sonst gesagt, auch wenn sie mich nicht mit unwichtigem Klatsch über einen kleinen Ausflug behelligte. Nicht, solange ich an meinem Bericht arbeiten mußte, den sie für ernsthafte Arbeit hielt. »Aha! Der Junge mit den Pfeilen. Also, wie war das nun?«
    »Er hat auf uns geschossen und gesagt, wir wären Römer, und er wäre im freien Gallien und sein Vater hätte ihm erlaubt, uns totzuschießen. Da wußten wir’s«, schloß Arminia.
    »Was denn?«
    »Na, wer er war.« Das war mehr, als ich wußte. Sie flüsterte fast ängstlich: »Der Sohn des Häuptlings! Der, der echte, lebende Gefangene erschießt.«
    Unwillkürlich zog ich die Kinder fester an mich. Aber diese beiden waren so selbstbewußte Damen, daß sie mich nicht als Beschützer brauchten. »Ihr seid doch hoffentlich weggerannt?«
    »Denkste!« rief Augustinilla empört. »Den Stümper haben wir ordentlich reingelegt. Erst haben wir ihn abgeschüttelt, dann sind wir zurückgeschlichen und haben ihn verfolgt.«
    Sie freuten sich diebisch über die List, mit der sie ihn ausgetrickst hatten. Vor diesen beiden kleinen Hexen wäre vermutlich kein Knabe sicher. Alle zwei waren, wenn auch auf verschiedene Weise, dazu bestimmt, eines Tages männermordende Weibsbilder zu werden.
    Ich schluckte beklommen. »Und dann? Wie ging’s weiter?«
    »Dann haben wir den Einäugigen gesehen.«
    »Der mit dem roten Bart. Der gefärbt ist«, ergänzte das flachsblonde Herzchen mitleidlos. Für den Fall, daß mir noch immer nicht klar wäre, was für brillante Helfer ich vor mir hatte.
     
    Helena bot an, meinen Bericht zu schreiben.
    »Aber du kennst dich doch überhaupt nicht aus!«
    »Na und? Die meisten Männer, die Protokolle schreiben, wissen noch weniger. Wie wär’s mit: ›Die Vierzehnte Gemina Martia Victrix ist eine im Kern stabile, funktionstüchtige Einheit, die allerdings einer strengeren Leitung bedarf, als unter dem gegenwärtigen Kommando gewährleistet ist. Die Ernennung eines neuen Legaten mit ausgeprägten Führungsqualitäten sollte daher absoluten Vorrang haben. Einer Wiedereingliederung der Vierzehnten im germanischen Grenzland (ob auf Dauer oder temporär, müßte gesondert geklärt werden) steht hingegen prinzipiell nichts im Wege, ja, sollte vor allem im Hinblick auf ihre fundierten Kenntnisse der Provinz befürwortet werden. Auch ihre beachtlichen Erfahrungen im Umgang mit den Keltenvölkern dürften im gegenwärtig heiklen politischen Klima im rheinischen Korridor von unschätzbarem Nutzen sein‹ …«
    »Aber das ist doch Quatsch!« unterbrach ich.
    »Stimmt. Genau der Quatsch, den sie auf dem Palatin hören wollen.« Also ließ ich sie gewähren.
    Sie versprach, bis zu meiner Rückkehr etliche Seiten dieses schwülstigen Bombasts zusammenzustoppeln. Außerdem war ihre Schrift leserlicher als meine.
    Ich hätte Helena Justina gern mitgenommen, aber Augusta Treverorum lag neunzig Meilen entfernt, und wenn ich zum Geburtstag des Kaisers und der großen Parade zurück sein wollte, dann mußte ich ein scharfes Tempo vorlegen.
    Indessen braucht ein Mann einen Reisegefährten, und darum nahm ich an Helenas Stelle jemand anderen mit. Xanthus, der doch so gern die Welt sehen wollte, bot sich da geradezu an.

LXIII
    Augusta Treverorum, Hauptstadt von Belgica.
    Der Gründervater Augustus hatte zunächst an einem strategisch wichtigen Punkt eine Brücke über die Mosella gebaut, wie das jeder vernünftige Städtebauer tun sollte. Die Siedlung, die
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